Freitag, 20. Juli 2007
Traum mit kleinen Fehlern
"Sandman: Das Puppenhaus" von Neil Gaiman


Die Teilnehmer der "Cereal Convention" haben Mordsspaß
(© 1989,1990,1995 DC Comics;
dt. Ausg.: © 2007 Panini Verlags-GmbH)


Obwohl die Serie "Sandman" auch hierzulande immer wieder gern als Musterbeispiel für "literarische" Comics genannt wird, hat Neil Gaimans über 2000-seitiges Epos bei uns jahrelang eine eher stiefmütterliche Behandlung erfahren. Feest/Ehapa veröffentlichte die Episoden in den 90ern nicht in der Reihenfolge des US-Originals, teilte die amerikanischen Sammelbände, wie damals leider üblich, in jeweils zwei Bücher auf und stellte die viel gelobte, aber wohl doch nicht so viel gekaufte Serie nach etwa zwei Dritteln ein. Später führte der Verlag Thomas Tilsner ("Speed Comics") die Serie zu Ende, freilich waren die ersten Geschichten nun nicht mehr lieferbar und blieben es auch für lange Zeit.

Seit April 2007 bringt Panini nun die Neuedition von "Sandman" heraus und hält sich dabei erfreulich eng an die Originalausgaben. Im Juni ist "Das Puppenhaus" erschienen, der zweite Band der in den USA von 1988 bis 1996 veröffentlichten Serie. Inwieweit sich die neue (und größtenteils angenehm flüssige) Übersetzung von Gerlinde Althoff ("Promethea", "Fables") von der seinerzeit in der Szene gefeierten Übertragung Frank Neubauers unterscheidet, kann ich nicht beurteilen, denn ich habe Sandman bislang größtenteils im Original gelesen. Ich nehme aber an, man hat einige Schnitzer beseitigt, die aufmerksamen Lesern im Gesamtzusammenhang der Serie aufgestoßen wären.

Auf jeden Fall macht der neue, angenehm wuchtige Paperback-Band haptisch wie optisch mehr her als die zwei schlabbrigen Softcover "Das Puppenhaus" und "Verlorene Herzen", in die man die Storyline "A Doll's House" 1995 bei Feest zerteilt hatte, um sie entgegen der US-Chronologie als Band 6 und 7 herauszubringen.

Nachdem der Herr der Träume in Band 1 ("Präludien & Notturni") von einem Schwarzmagier gefangen genommen worden war und sich nach der Befreiung mühsam seine geraubten Insignien zurückerstritten hat, nimmt er zu Beginn des zweiten Bandes erst einmal eine Volkszählung im Traumland vor und stellt fest, dass einige seiner Schöpfungen in die Realität entfleucht sind, darunter der "Korinther", ein Alptraum mit Zahnreihen anstelle von Augenlidern, und "Fiddler's Green", eine Art Ort mit Bewusstsein (hey, Kopfschüttler: es geht hier ums Traumland!). Außerdem entdeckt Dream, wie sich der anglophile Herr der Träume auch im Deutschen gern nennt, einen Traumwirbel: einen Menschen, der das ganze Traumgefüge durcheinanderbringen und zerstören könnte. Und so bricht der "Sandman" auf, die Ausreißer einzufangen und den Wirbel unschädlich zu machen.

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Dienstag, 17. Juli 2007
Comic für die Ohren
Wie der Wiener Comic-Star Nicolas Mahler ("Kunsttheorie versus Frau Goldgruber") heute im Reprodukt-Forum verlauten ließ, läuft morgen (Dienstag, 17. Juli) im Ösi-Radio ab 20:31 Uhr sein Hörspiel "Längen und Kürzen".

Auf der entsprechenden Ö1-Seite kann man das Werk des Meisters über den Button "Webradio" (ganz oben in der Mitte) auch online genießen.

Womit mein morgiger neurotischer Feierabend schon mal gerettet wäre.

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Montag, 16. Juli 2007
Gelbe Seiten
Okay, die deutsche Ausgabe von "Vanity Fair" mag pop-journalistisch kein großer Wurf sein, aber dieser Online-Beitrag des US-Originals ist einer:

Zum anstehenden Start des "Simpsons"-Kinofilms zeichnet John Ortved die Entwicklung der Serie nach. Ausgedruckt ist das Ding 13 pralle Seiten lang. Den größten Teil des Textes bilden clever arrangierte Interviewhäppchen von Machern und Zeitzeugen. Zwar fehlen die ganz großen Namen, etwa "Simpsons"-Erfinder Matt Groening und Produzent James L. Brooks, dafür sind aber der spätere Pixar-Regisseur Brad Bird ("Die Unglaublichen", "Ratatouille") und Late-Night-Talker und Ex-Simpsons-Autor Conan O'Brien dabei, ebenso ein gewisser Rupert Murdoch ("I said: 'We gotta be more aggressive... Let's put it up against Cosby!'").

Mein persönliches Highlight: Comic-Autor und Pulitzer-Preisträger Art Spiegelman ("Maus") erzählt, wie er dem späteren Milliardär Groening auszureden versuchte, seine Idee an Murdochs Fox zu verkaufen.

Aber genug geschnackt, hier geht's zum Artikel!

(Es handelt sich übrigens um die erweiterte Version eines Textes, der im August in der Printausgabe erscheinen wird.

Den Link verdanke ich Amid Amidi von Cartoon Brew – der im Blog andeutet, dass er eigentlich kein großer "Simpsons"-Fan ist.)

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Freitag, 13. Juli 2007
Maskenspiele
"Komm zurück, Mutter" von Paul Hornschemeier

Den Vater des kleinen Thomas zerreißt der Kummer
(© 2002–2004, 2007 Paul Hornschemeier;
dt. Ausg.: © 2007 Carlsen Verlag GmbH)


Ein Mann schwebt durch eine Felslandschaft. Sein Gesicht wirkt so leblos und traurig wie die Grün- und Brauntöne der Umgebung. Belauert von monströsen Kreaturen (mit Handschuhen), sucht er nach einer geliebten Person, mit der er in Gedanken spricht. Beispielsweise über eine Erinnerung, die ihn plagt: "Etwas von dem ich glaube, es könnte wichtig sein. Etwas, das wir gemeinsam erschaffen haben. Eine Puppe? Ein sprechendes Etwas? Etwas, das uns glücklich gemacht hat." Als der Schwebende an einen See kommt, ziehen ihn die Monster in die schwarze Flut.

Mit diesem abgründigen Prolog beginnt Paul Hornschemeiers Comic-Roman "Komm zurück, Mutter". Der schwebende Mann ist der depressive David Tennant. Die Person, die er sucht, ist seine an Krebs gestorbene Frau. Die "Puppe", die beide "gemeinsam erschaffen" haben, ist der kleine Sohn Thomas.

Nach dem Prolog des Vaters wechselt der Erzähler: Thomas ist der eigentliche Held der Geschichte. Inzwischen erwachsen, erinnert er sich an die dunkle Zeit, als er sieben Jahre alt war und nach dem Tod der Mutter den geistigen Verfall des Vaters verkraften musste.

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Donnerstag, 5. Juli 2007
Ellis im Flunkerland
Zu Band 1 der Serie "Global Frequency"

Zero Tolerance für Floskeln, aber Spaß an Techno-Blabla:
"Global Frequency: Planet in Flammen"

(© 2002, 2003, 2004 Warren Ellis / © 2004 DC Comics;
dt. Ausg.: © 2007 Panini Verlags GmbH)


Mindestens drei Dinge habe ich bei der Lektüre des ersten Bandes von Warren Ellis' Serie "Global Frequency" gelernt.

  1. Pflanzt man einem Menschen einen bionischen Roboterarm ein, müssen "die Knochen und das Gewebe [...] verstärkt und unterstützt werden, sonst reißt der neue Arm bei der ersten Bewegung einfach ab."

  2. Im Thingvellir-Tal wurden die ersten isländischen Parlamente "vor einer schwarzen Felswand [abgehalten], deren gewellte Oberfläche die Stimme des Redners verstärkte."

  3. "Die Butthole Surfers versuchten mal, eine Niederfrequenz-P.A. zu bauen, die Konzertbesucher dazu bringen sollte, sich einzuscheißen."
Wer sich wie ich für solche Nachrichten aus der schummrigen Welt zwischen Wissenschaft und Kinderkram interessiert (und außerdem Baron Münchhausen für eine ziemlich coole Sau hält), der wird mit "Global Frequency" trotz aller Schwächen Spaß haben.

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