Samstag, 18. August 2007
Die Liga der öffentlich-rechtlichen Kulturkenner
Bevor wir uns hier falsch verstehen: Natürlich gibt es im deutschen Fernsehen schlimmere Veranstaltungen als die altehrwürdige ZDF-Kultursendung "aspekte". Aber soll man sich denn ernsthaft über Volksmusik, Pseudopromi-Dokusoaps oder Sonja Zietlow echauffieren? Eben.

Das Problem mit "aspekte" ist, dass die Macher es als populäres Magazin über komplexe Kulturthemen verstanden wissen möchten, diesem Anspruch aber zu selten gerecht werden. Mit einer Mischung aus Höhere-Töchter-Snobismus und gekünstelter Lockerheit wird dem Zuschauer dort Kultur in Form von Tipps und Schlaglichtern präsentiert. Wer sich auf dem jeweiligen Terrain aber ein bisschen auskennt, merkt schnell, dass die Autoren der Beiträge mitunter herzlich wenig Ahnung vom Thema haben.

Ein gutes Beispiel ist Achim Zeilmanns gestriger Beitrag (17. August 2007) über Robert Löhrs neuen Roman "Das Erlkönig-Manöver". Löhr hatte zuvor mit "Der Schachautomat" einen bei Publikum wie Kritikern erfolgreichen historischen Roman über den angeblichen Schachroboter von Wolfgang von Kempelen veröffentlicht. Im "Erlkönig-Manöver" schickt er nun Goethe, Schiller, Alexander von Humboldt, Bettina von Arnim (das Fünf-Mark-Schein-Schnuckelchen) und eine Handvoll weiterer deutscher Dichter und Denker auf eine geheime Mission: Die Geistesgrößen sollen Napoleon stürzen.

Jeder Comic- oder Kino-Freund hat jetzt bestimmt schon dreimal "Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen!" gerufen: 1999 von Alan Moore als Comic-Serie erdacht, 2003 von Stephen Norrington schlecht verfilmt. Für Nichteingeweihte, z. B. "aspekte"-Mitarbeiter, hier noch mal kurz die Story: Allan Quatermain, Kapitän Nemo, Dr. Jekyll, Mina Harker (aus "Dracula") und weitere Charaktere der Unterhaltungsliteratur müssen das britische Empire retten.

Von fiktiven Figuren der viktorianischen Ära ist es nur ein kleiner Schritt zu realen Größen der deutschen Klassik und Romantik. Aber, hey, das Konzept von Löhrs Roman klingt trotzdem witzig und spannend. Schön wäre es allerdings gewesen, wenn man beim ZDF in einem Nebensatz auf die geistige Nähe zu Moores Comic hingewiesen hätte. Zumal Löhr im Interview sogar darauf anspielt: "Vor allen Dingen hat das noch keiner gemacht: derart respektlos mit diesen Biografien umzuspringen und sie in dieser Liga der außergewöhnlichen Klassiker zusammenzufassen".

Beim ZDF hat man jedoch offenbar weder von Comic noch Film gehört. Da verwundert es dann erst recht nicht, dass niemand Herrn Löhr darauf hinweist, dass er auch in Deutschland längst einen Vorgänger hat: Der Autor Kai Meyer ließ die Brüder Grimm bereits 1995 und 1997 in seinen Horror-Krimis "Der Geisterseher" und "Die Winterprinzessin" als Detektive ermitteln.

Übrigens: Auf der – durchaus gut designten – "aspekte"-Website gibt es den Beitrag als Text und Video.

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Mittwoch, 8. August 2007
Weniger ist Meer
"Der Leuchtturm" von Bruno Le Floc'h

Fischer Nonna erklärt dem Herrn Ingenieur die See
(© 2004 Guy Delcourt Productions / Bruno Le Floc'h;
dt. Ausg.: © 2007 Carlsen Verlag GmbH)



Es mag ja ein bisschen meschugge klingen, wenn man bereits im August über Weihnachten spricht, aber ich mein’s nur gut: Wer alle Jahre wieder Probleme hat, ein passendes Geschenk für den segelverrückten, "mare"-lesenden Onkel aufzutreiben, der sollte sich schon einmal den Comic-Roman "Der Leuchtturm" von Bruno Le Floc'h zulegen. Am besten gleich zweifach, ein Exemplar für Onkelchen, eines für sich selbst. Denn die mit lakonischem Witz erzählte Geschichte ist eine frische Brise im muffigen Genre der Historien-Comics.

Im April 1911 reist ein junger Ingenieur aus Paris in ein bretonisches Fischerdorf, um auf dem vor der Küste gelegenen Felsen "Pierre Chauve" (="Kahler Stein") einen Leuchtturm zu errichten. Kaum eingetroffen, wird ihm klar, dass der Bau sich wesentlich schwieriger gestalten wird, als geplant: Der Felsen "kommt nur bei Ebbe zur Zeit der Springflut heraus. Zwanzig Tage im Jahr, bestenfalls dreißig", erklärt der Fischer Nonna dem Pariser Schnösel, "damit musst du leben." Statt einiger Wochen, wie im Ministerium vorgesehen, wird der Ingenieur über drei Jahre in der Bretagne festsitzen.

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Dienstag, 31. Juli 2007
"Ich danke Mama, Daddy und meinem Radiergummi –
  schluchz!"

Am Freitag, 27. Juli 2007, wurden auf der "Comic Con" in San Diego, Kalifornien, die "Eisner Awards" vergeben (benannt nach dem Comic-Übervater Will Eisner). Im Guten wie im Bösen könnte man sie als die "Sprechblasen-Oscars" bezeichnen: Einerseits berücksichtigt die Jury bei der Vergabe eher den Mainstream als Avantgarde und Randbereiche, andererseits kann man anhand der Auszeichnungen ablesen, in welche Richtung sich das Medium bewegt.

Während die Oscars aber von einer ganzen Akademie von Filmschaffenden vergeben werden, besteht die jedes Jahr wechselnde Eisner-Jury aus nur fünf Comic-Künstlern, -Herausgebern und -Kritikern. Mancher bemängelt, dass fast nie Comic-Theoretiker dabei sind, die sich wissenschaftlich mit dem Comic befassen. Doch bei aller berechtigten Kritik: Die Eisner-Jurys haben sich bislang wesentlich weniger Klöpse geleistet als die verkrustete "Academy of Motion Picture Arts and Sciences".

Die "Eisner-Awards" werden seit 1988 vergeben. Doch erst dieses Jahr wurde - reichlich verspätet - eine eigene Kategorie für den besten in den USA veröffentlichten Manga geschaffen. Besser spät als nie, das gilt auch für die deutlich gestiegene Zahl nominierter Frauen. Unter den 20 nominierten Damen findet sich neben der für ihren autobiographischen Comic-Roman "Fun Home" auch außerhalb der Szene gefeierten Alison Bechdel auch der erste Kinderstar der "Eisner Awards": die neunjährige Alexa Kitchen, Tochter des Undergroundzeichners und Verlegers Denis Kitchen und außerdem jüngste Eisner-Kandidatin aller Zeiten. Als Siebenjährige hatte sie das Handbuch "Drawing Comics Is Easy (Except When It's Hard" geschrieben und gezeichnet, das jetzt in der Kategorie "Best Publication for a Younger Audience" nominiert war (und das trotz wackeliger Orthographie tatsächlich viele verkorkste Erwachsenen-Zeichenbücher übertrifft).

Die folgende Liste der Nominierten und (fett hervorgehobenen) Gewinner in insgesamt 28 Kategorien habe ich teilweise kommentiert, sofern ich die jeweiligen Werke oder zumindest andere Arbeiten der ausgezeichneten Künstler kenne. Wer die Auflistung ohne meinen Senf lesen möchte, bekommt auf der "Comic Con"-Website die Nominierungen und Gewinner auch pur serviert.

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Montag, 30. Juli 2007
Grüße aus der Zone
"DMZ: Abgestürzt" von Brian Wood und Riccardo Burchielli


Ein Praktikant im Niemandsland: DMZ-Besucher Matty Roth
(© 2006 Brian Wood and Riccardo Burchielli;
dt. Ausg.: © 2007 Panini Verlags-GmbH)


Okay, ich geb's zu: ich versteh's nicht. Wer erklärt mir, warum "DMZ" das neue heiße Ding sein soll?

"Wizard", das auf Superhelden-Fans fixierte, aber durchaus zurechnungsfähige US-Mainstream-Fachblatt, erklärt die Serie von Brian Wood und Riccardo Burchielli zum besten Comic, der dem DC-Label Vertigo seit "Y – The Last Man" und "Fables" gelungen sei. Die "New York Times "schließt sich exakt diesem Urteil an. (Wood hat es sich nicht nehmen lassen, einige dieser Lobeshymnen auf seiner Homepage zu veröffentlichen.)

Ich kenne und schätze "Y" und "Fables". Beides sind außergewöhnlich intelligent geplottete, ansprechend gezeichnete Serien mit faszinierenden Ensembles und einzigartiger Atmosphäre. Aber wer etwas Ähnliches lesen möchte, sollte lieber zu "Ex Machina" oder "100 Bullets" greifen, denn "DMZ" kann keiner dieser Serien das Wasser reichen. Zugegeben: "DMZ" ist kein schlechter Comic. Aber eben auch kein besonders guter.

Schade, denn die Serie, deren erster Band seit Juni bei Panini auf Deutsch vorliegt, arbeitet mit einer gewitzt subversiven Prämisse: In naher Zukunft bricht in den USA ein neuer Bürgerkrieg aus, und Manhattan, Ort der Handlung, wird zu einem zweiten Bagdad.

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Dienstag, 24. Juli 2007
Ha!
Als ich hier vor wenigen Wochen den ersten Platz meiner "Top 12" der besten Krimi-Comics publizierte, landete die grandiose Super-Bullenserie "Top 10" auf Platz 1.

Heute lese ich bei "The Beat", dem Blog der stets gut informierten Heidi MacDonald, dass "Top 10"-Zeichner Gene Ha ein von der Serie inspiriertes Plakat für die "Comic Con" kreiert hat, die weltgrößte Comic-Messe, die vom 26. bis 29. Juli in San Diego stattfindet.

Das Plakat ist großartig, aber only semi-safe for work.

Hier ist der Link zu dieser grafischen Großtat.

Enjoy!

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