Donnerstag, 29. Januar 2009
Best of 2008
Platz 4: "Will Eisner's The Spirit [Bd. 1]"

Text: Darwyn Cooke (dt. v. Gerlinde Althoff)
Grafik: Darwyn Cooke (pencils), J. Bone (inks), Dave Stewart (Farben)
Verlag: Panini

[Zu Platz 5]

(© 2007 DC Comics and Will Eisner Studios Inc./
Dt. Ausgabe: © 2008 Panini Comics GmbH)


Halleluja: Endlich erweckt ein Comic-Maestro Will Eisners 1940 erdachten Gangsterjäger und Frauenschwarm "The Spirit" zu neuem Leben und drückt ihm dabei seinen eigenen Stempel auf – statt nur eine weitere müde "Hommage" abzuliefern!

Sacht modernisiert, bekämpft Denny Colt alias "The Spirit" nun das Böse im 21. Jahrhundert. Dabei besitzen die neuen Storys alle Vorzüge der alten: coole Eleganz, smarten Witz und die unbändige Lust an narrativen Spielereien.

Ich spreche natürlich nicht von Frank Millers lächerlicher Kino-Adaption, die nächste Woche auch bei uns anläuft (und die ich vor einigen Wochen bei einer Preview durchleiden durfte).

Nein, die Rede ist von Darwyn Cookes im Februar 2007 gestarteter Serie "Will Eisner's The Spirit", die seit 2008 auch bei uns erscheint.

Einen Monat vor Cookes erstem regulärem "Spirit"-Heft erschien bereits das Crossover "Batman/The Spirit", an dem Cooke nur als Zeichner mitwirkte. Das Einzelheft gewann zwar einen Eisner Award, hat allerdings mit Cookes eigenen "Spirit"-Storys weder Finesse noch Charakterisierungen gemein.1

Der virtuose Nostalgiker Cooke, eine Art Wynton Marsalis der Comics, feiert in seinem "Spirit" die Tradition, modernisiert aber, wo es not tut: Aus Eisners "nicht böse gemeintem" Mohrenknaben Ebony ist ein lässiger schwarzer Teenie geworden, aus Colts naiver Flamme Ellen Dolan eine etwas spröde Internetfachfrau. Ansonsten ist es in Central City immer noch fünf nach noir.

Eisners legendäre Femmes fatales und Powerfrauen sind bei Cooke ("The New Frontier", "Catwoman: Selina's Big Score") in guten Händen: Sein aus Warner-Trickfilm-Optik und klassischer Pinup-Malerei gemixter Zeichenstil ist – jedenfalls für mich – unwiderstehlich, auch dank der schwungvollen inks von J. Bone.

Zudem sehen Cookes Ladies nicht nur klasse aus, sie haben auch Klasse. Etwa die Geheimdienst-Amazone Silk Satin, die sich über Comissioner Dolan und den blau gewandeten "Spirit" mokiert: "Bitte. Wir sind die CIA. Nicht ein paar Dorfbullen und ein Gainsborough." Und die wegen Dolans Nachfrage ("Gainsborough?") noch einen draufsetzt: "Der Blaue da. Googeln Sie mal."

Anders als Will Eisner in den 40ern läutet Cooke hier natürlich keine Revolution des sequenziellen Erzählens ein. Aber warum das Rad neu erfinden, wenn man damit so rasant zu fahren versteht und sogar atemberaubende Überschläge meistert? Ich will hier gar nicht erst von Cookes umwerfenden Noir-Schatten und -Blickwinkeln, seinem Einsatz von Sequenzpanels, Manga-Dynamik, subjektiver Perspektive und vor allem seinem stets präzisen Timing anfangen, sonst sitzen wir zwei Hübschen noch morgen hier.

Nach Heft 12 stieg Captain Cooke aus, danach kam die Serie leider vom Kurs ab. Die beiden unter des Meisters Ägide entstandenen Sammelbände erschienen letztes Jahr auch auf Deutsch, wobei Gerlinde Althoffs Übersetzung den Wortwitz des Originals recht gut einfängt. Band 1 ist der wahre Jonas, nämlich purer Cooke, im zweiten mischen schon zu viele Gastköche mit.

1) Bei uns erschien die Story als Einzelheft. In der US-Paperback-Ausgabe von Cookes "Spirit" findet man sie als Bonus in Band 1.

[Zu Platz 3]