Samstag, 24. Januar 2009
Best of 2008
Platz 6: "RASL (No. 3)"
Text und Grafik: Jeff Smith; Verlag: Cartoon Books

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(© 2008 Jeff Smith)


"Suggested for mature readers": Weil ihm beim Anblick unbedarfter US-Eltern, die ihren Kindern ein "RASL"-Heft kauften, zu Recht mulmig wurde, lässt "Bone"-Schöpfer Jeff Smith seine neue Serie seit Ausgabe 2 mit dem Hinweis versehen, dieser Comic sei nichts für die Kleinen.

Offen gesagt: Als auf 13 Jahre "Bone" 2007 erst einmal die unfassbar trantütige Golden-Age-Superhelden-Hommage "Shazam! – The Monster Society of Evil" folgte, dachte ich schon, Smith sei für alle Zeiten ausgebrannt.

Weit gefehlt! Bereits Heft 1 der im März 2008 gestarteten Serie über den zwischen Parallelwelten hin- und her springenden Kunstdieb RASL deutete an, dass der bisherige Konsens-Comic-Star Smith durchaus bereit ist, biedere Fans zu vergrätzen. Endgültig klar wird dies in Heft 3: eine Actionszene, bei der die Gegner einander buchstäblich den Rotz herausprügeln, ein unerwarteter Zungenkuss und einige der abgründigsten erotischen Verwicklungen seit Hitchcocks "Vertigo" – Kinderchen, spielt das bitte nicht zu Hause nach!

Smith' Indie-Freund Terry Moore ("Strangers in Paradise") brachte 2008 mit "Echo" selbst eine lesenswerte Sci-Fi-Serie heraus. "Echo" scheint "RASL" auf den ersten Blick dramaturgisch wie grafisch überlegen, ist aber auch wesentlich glatter und vorhersehbarer als Smith' neues Baby. Bei "RASL" ahnt bislang wohl allein der Autor, wohin die Reise geht. Science-Fiction, Thriller oder Lovestory? Bislang ist "RASL" vor allem ein Abenteuer.

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"Guano nuevo!"

Pardon, aber der buchstäblich beschissene Neujahrsgruß aus André Franquins genialer Serie "Gaston" erscheint mir perfekt, um das neue Jahr einzuläuten. Ja, ich weiß, 2009 ist schon wieder fast vorbei, aber mal ehrlich: Wünschen wir uns nicht alle, es wär' so? Nuff said.

Speziell comic-technisch habe ich einen schlechten Start ins Jahr erwischt und zwar bereits im Herbst 2008: Als ich vor gut vier Monaten versuchte, noch ein Zimmer in Angoulême zu ergattern, um endlich, endlich einmal das wohl renommierteste aller Comic-Festivals (29.1.–1.2.) zu besuchen, da war natürlich längst alles ausgebucht. Dieses Jahr reserviere ich meine Badewanne schon im Februar.

Obwohl ich nicht behaupten kann, 2008 wahnsinnig viele Comics gelesen zu haben, geschweige den alle "wichtigen", reicht es doch für ein kleines "Best of 2008": sieben Neuerscheinungen, die mir im Gedächtnis geblieben sind und am Herzen liegen.

Man möge das Ganze bitte eher als Geheimtippliste betrachten denn als Auswahl für die Ewigkeit. Kenner der Materie werden in dieser Top-Seven nämlich gefeierte Werke wie "Blutspuren" oder "Lost Girls" vermissen. Nun, zumindest diese zwei fehlen hier einfach, weil ich 2008 nicht dazu gekommen bin, sie zu lesen.

Und gleich noch mehr mea culpa: Weil ich so verdammt schreibfaul bin, veröffentliche ich meine glorreichen Sieben hier häppchenweise, okay?

Beginnen wir also mit:

Platz 7: "Molch"
Text: Nicolas Mahler; Grafik: Heinz Wolf; Verlag: Luftschacht

(© 2008 Mahler/Wolf/Luftschacht)


Eine Serienkillerstory soll "Molch" sein, behaupten sowohl diverse Rezensenten als auch der kleine Wiener Literaturverlag Luftschacht, aus dessen Programm diese lakonische, aber süffig-filmische Krimigroteske stammt. Dabei ist die Mordserie doch eher Katalysator denn Kern der Geschichte.

Grüß Gott, Tristesse: In schmiergrauen Panels lassen Ösi-Comic-Star Nicolas Mahler (Text) und sein Gallerie-Kompagnon Heinz Wolf (Zeichnungen) ihren überforderten Helden durch die Moritat schliddern: einen Wiener Gebrauchtwagenhändler, geschieden, wortkarg und bis zuletzt namenlos. Ausgerechnet er, den die Langeweile umzubringen droht, gerät ins Visier des dubiosen Kommissars Jaworek ("Wissen Sie, nach Dienstschluss bin ich eher an Frauen interessiert"). Jaworek jagt einen Serienkiller, der mit dem Blut seiner Opfer das Wort "Molch" an die Wände schmiert. Und unser Autohändler gilt als Verdächtiger – oder vielleicht wär' er das nur gern?

Ein Barbierbesuch endet mit einem exakt halb abrasierten Bart, im Doppelbett des Protagonisten liegt die eine Seite brach, und am Ende der Story hofft man auf eine erklärende zweite Hälfte, die es freilich nicht gibt. Selten wirkte ein Comic zugleich so halb fertig und doch so zu Ende gedacht wie "Molch".

[Zu Platz 6]

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