Mittwoch, 8. August 2007
Weniger ist Meer
"Der Leuchtturm" von Bruno Le Floc'h

Fischer Nonna erklärt dem Herrn Ingenieur die See
(© 2004 Guy Delcourt Productions / Bruno Le Floc'h;
dt. Ausg.: © 2007 Carlsen Verlag GmbH)



Es mag ja ein bisschen meschugge klingen, wenn man bereits im August über Weihnachten spricht, aber ich mein’s nur gut: Wer alle Jahre wieder Probleme hat, ein passendes Geschenk für den segelverrückten, "mare"-lesenden Onkel aufzutreiben, der sollte sich schon einmal den Comic-Roman "Der Leuchtturm" von Bruno Le Floc'h zulegen. Am besten gleich zweifach, ein Exemplar für Onkelchen, eines für sich selbst. Denn die mit lakonischem Witz erzählte Geschichte ist eine frische Brise im muffigen Genre der Historien-Comics.

Im April 1911 reist ein junger Ingenieur aus Paris in ein bretonisches Fischerdorf, um auf dem vor der Küste gelegenen Felsen "Pierre Chauve" (="Kahler Stein") einen Leuchtturm zu errichten. Kaum eingetroffen, wird ihm klar, dass der Bau sich wesentlich schwieriger gestalten wird, als geplant: Der Felsen "kommt nur bei Ebbe zur Zeit der Springflut heraus. Zwanzig Tage im Jahr, bestenfalls dreißig", erklärt der Fischer Nonna dem Pariser Schnösel, "damit musst du leben." Statt einiger Wochen, wie im Ministerium vorgesehen, wird der Ingenieur über drei Jahre in der Bretagne festsitzen.

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Dienstag, 31. Juli 2007
"Ich danke Mama, Daddy und meinem Radiergummi –
  schluchz!"

Am Freitag, 27. Juli 2007, wurden auf der "Comic Con" in San Diego, Kalifornien, die "Eisner Awards" vergeben (benannt nach dem Comic-Übervater Will Eisner). Im Guten wie im Bösen könnte man sie als die "Sprechblasen-Oscars" bezeichnen: Einerseits berücksichtigt die Jury bei der Vergabe eher den Mainstream als Avantgarde und Randbereiche, andererseits kann man anhand der Auszeichnungen ablesen, in welche Richtung sich das Medium bewegt.

Während die Oscars aber von einer ganzen Akademie von Filmschaffenden vergeben werden, besteht die jedes Jahr wechselnde Eisner-Jury aus nur fünf Comic-Künstlern, -Herausgebern und -Kritikern. Mancher bemängelt, dass fast nie Comic-Theoretiker dabei sind, die sich wissenschaftlich mit dem Comic befassen. Doch bei aller berechtigten Kritik: Die Eisner-Jurys haben sich bislang wesentlich weniger Klöpse geleistet als die verkrustete "Academy of Motion Picture Arts and Sciences".

Die "Eisner-Awards" werden seit 1988 vergeben. Doch erst dieses Jahr wurde - reichlich verspätet - eine eigene Kategorie für den besten in den USA veröffentlichten Manga geschaffen. Besser spät als nie, das gilt auch für die deutlich gestiegene Zahl nominierter Frauen. Unter den 20 nominierten Damen findet sich neben der für ihren autobiographischen Comic-Roman "Fun Home" auch außerhalb der Szene gefeierten Alison Bechdel auch der erste Kinderstar der "Eisner Awards": die neunjährige Alexa Kitchen, Tochter des Undergroundzeichners und Verlegers Denis Kitchen und außerdem jüngste Eisner-Kandidatin aller Zeiten. Als Siebenjährige hatte sie das Handbuch "Drawing Comics Is Easy (Except When It's Hard" geschrieben und gezeichnet, das jetzt in der Kategorie "Best Publication for a Younger Audience" nominiert war (und das trotz wackeliger Orthographie tatsächlich viele verkorkste Erwachsenen-Zeichenbücher übertrifft).

Die folgende Liste der Nominierten und (fett hervorgehobenen) Gewinner in insgesamt 28 Kategorien habe ich teilweise kommentiert, sofern ich die jeweiligen Werke oder zumindest andere Arbeiten der ausgezeichneten Künstler kenne. Wer die Auflistung ohne meinen Senf lesen möchte, bekommt auf der "Comic Con"-Website die Nominierungen und Gewinner auch pur serviert.

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Montag, 30. Juli 2007
Grüße aus der Zone
"DMZ: Abgestürzt" von Brian Wood und Riccardo Burchielli


Ein Praktikant im Niemandsland: DMZ-Besucher Matty Roth
(© 2006 Brian Wood and Riccardo Burchielli;
dt. Ausg.: © 2007 Panini Verlags-GmbH)


Okay, ich geb's zu: ich versteh's nicht. Wer erklärt mir, warum "DMZ" das neue heiße Ding sein soll?

"Wizard", das auf Superhelden-Fans fixierte, aber durchaus zurechnungsfähige US-Mainstream-Fachblatt, erklärt die Serie von Brian Wood und Riccardo Burchielli zum besten Comic, der dem DC-Label Vertigo seit "Y – The Last Man" und "Fables" gelungen sei. Die "New York Times "schließt sich exakt diesem Urteil an. (Wood hat es sich nicht nehmen lassen, einige dieser Lobeshymnen auf seiner Homepage zu veröffentlichen.)

Ich kenne und schätze "Y" und "Fables". Beides sind außergewöhnlich intelligent geplottete, ansprechend gezeichnete Serien mit faszinierenden Ensembles und einzigartiger Atmosphäre. Aber wer etwas Ähnliches lesen möchte, sollte lieber zu "Ex Machina" oder "100 Bullets" greifen, denn "DMZ" kann keiner dieser Serien das Wasser reichen. Zugegeben: "DMZ" ist kein schlechter Comic. Aber eben auch kein besonders guter.

Schade, denn die Serie, deren erster Band seit Juni bei Panini auf Deutsch vorliegt, arbeitet mit einer gewitzt subversiven Prämisse: In naher Zukunft bricht in den USA ein neuer Bürgerkrieg aus, und Manhattan, Ort der Handlung, wird zu einem zweiten Bagdad.

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Dienstag, 24. Juli 2007
Ha!
Als ich hier vor wenigen Wochen den ersten Platz meiner "Top 12" der besten Krimi-Comics publizierte, landete die grandiose Super-Bullenserie "Top 10" auf Platz 1.

Heute lese ich bei "The Beat", dem Blog der stets gut informierten Heidi MacDonald, dass "Top 10"-Zeichner Gene Ha ein von der Serie inspiriertes Plakat für die "Comic Con" kreiert hat, die weltgrößte Comic-Messe, die vom 26. bis 29. Juli in San Diego stattfindet.

Das Plakat ist großartig, aber only semi-safe for work.

Hier ist der Link zu dieser grafischen Großtat.

Enjoy!

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Freitag, 20. Juli 2007
Traum mit kleinen Fehlern
"Sandman: Das Puppenhaus" von Neil Gaiman


Die Teilnehmer der "Cereal Convention" haben Mordsspaß
(© 1989,1990,1995 DC Comics;
dt. Ausg.: © 2007 Panini Verlags-GmbH)


Obwohl die Serie "Sandman" auch hierzulande immer wieder gern als Musterbeispiel für "literarische" Comics genannt wird, hat Neil Gaimans über 2000-seitiges Epos bei uns jahrelang eine eher stiefmütterliche Behandlung erfahren. Feest/Ehapa veröffentlichte die Episoden in den 90ern nicht in der Reihenfolge des US-Originals, teilte die amerikanischen Sammelbände, wie damals leider üblich, in jeweils zwei Bücher auf und stellte die viel gelobte, aber wohl doch nicht so viel gekaufte Serie nach etwa zwei Dritteln ein. Später führte der Verlag Thomas Tilsner ("Speed Comics") die Serie zu Ende, freilich waren die ersten Geschichten nun nicht mehr lieferbar und blieben es auch für lange Zeit.

Seit April 2007 bringt Panini nun die Neuedition von "Sandman" heraus und hält sich dabei erfreulich eng an die Originalausgaben. Im Juni ist "Das Puppenhaus" erschienen, der zweite Band der in den USA von 1988 bis 1996 veröffentlichten Serie. Inwieweit sich die neue (und größtenteils angenehm flüssige) Übersetzung von Gerlinde Althoff ("Promethea", "Fables") von der seinerzeit in der Szene gefeierten Übertragung Frank Neubauers unterscheidet, kann ich nicht beurteilen, denn ich habe Sandman bislang größtenteils im Original gelesen. Ich nehme aber an, man hat einige Schnitzer beseitigt, die aufmerksamen Lesern im Gesamtzusammenhang der Serie aufgestoßen wären.

Auf jeden Fall macht der neue, angenehm wuchtige Paperback-Band haptisch wie optisch mehr her als die zwei schlabbrigen Softcover "Das Puppenhaus" und "Verlorene Herzen", in die man die Storyline "A Doll's House" 1995 bei Feest zerteilt hatte, um sie entgegen der US-Chronologie als Band 6 und 7 herauszubringen.

Nachdem der Herr der Träume in Band 1 ("Präludien & Notturni") von einem Schwarzmagier gefangen genommen worden war und sich nach der Befreiung mühsam seine geraubten Insignien zurückerstritten hat, nimmt er zu Beginn des zweiten Bandes erst einmal eine Volkszählung im Traumland vor und stellt fest, dass einige seiner Schöpfungen in die Realität entfleucht sind, darunter der "Korinther", ein Alptraum mit Zahnreihen anstelle von Augenlidern, und "Fiddler's Green", eine Art Ort mit Bewusstsein (hey, Kopfschüttler: es geht hier ums Traumland!). Außerdem entdeckt Dream, wie sich der anglophile Herr der Träume auch im Deutschen gern nennt, einen Traumwirbel: einen Menschen, der das ganze Traumgefüge durcheinanderbringen und zerstören könnte. Und so bricht der "Sandman" auf, die Ausreißer einzufangen und den Wirbel unschädlich zu machen.

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