Nils Minkmar in der aktuellen Sonntags-FAZ ("Brüder, zum Abgrund", Seite 25):
"Die sozialdemokratische Linke wird sich dort [in Frankreich] nicht mehr erholen – zersplittert in nicht weniger als vier parteiinterne Unterströmungen, bei denen selbst einer, der als Kind in das große Thema der feinen Unterschiede innerhalb der französischen Linken hineingefallen ist, nicht mehr durchblickt."
Kann man anders sehen, aber lustig formuliert isses allemal.
Die britische Filmzeitschrift "Empire" (für mich das beste internationale Mainstream-Filmblatt) hat für ihre Website eine schick illustrierte Hitliste der "50 Greatest Comic Book Characters" erstellt. Weil in der Redaktion erwiesenermaßen einige echte Comic-Freaks arbeiten, lohnt es sich, die wohlformulierten Begründungen der Jury sowie ihre Hintergrund-Infos zu Figuren und (etwaigen) Verfilmungen zu lesen.
Natürlich wird fast jeder seine persönlichen Lieblinge vermissen. Wo, bitteschön, sind Arzach, der Spirit, King Mob, Smax, Mitchell Hundred, Sam & Twitch, Mr. Hyde (na klar, die Alan-Moore-Version) und der Goon? Umgekehrt hatte ich von Platz 45, 40 und 27 noch nie gehört.
Die höheren Ränge sind extrem superheldenlastig (okay, es hieß ja auch nicht "The 50 Coolest Comic Book Characters"). Comic-Alben vom Kontinent sind durch gerade mal zwei Nasen vertreten, Manga-Kulleraugen blinzeln gar nur einmal aus der Liste. Dass sich dort allerdings jede Menge very britische Figuren tummeln, ist schon wieder charmant. Auch die Indie-Außenseiter sind intelligent ausgewählt.
Epilog für Erbsenzähler: Echt ein bisschen dusselig sind allerdings die Abstimm-Buttons. Zwar kann man für eine höhere oder tiefere Platzierung jeder Figur stimmen, allerdings wird bei der Auswertung offenbar einfach einer der beiden Werte von 100 abgezogen. So kommt wohl auch das bizarre Ergebnis für den Strahlemann auf Platz 1 zustande. Oder wollen den einige Schlauberger wirklich noch höher eingestuft sehen?
Multimedia-Offensive der Mudschaheddin:
Kann Schüler Murat widerstehen?
Aus: "Andi 2"
(© CODEX/Innenministerium Nordrhein-Westfalen)
Unter dem Titel "Sprechblasen für Schläfer" schimpfte Wolf Schmidt in der gestrigen "taz" (5. 11. 2007, Seite 14) über einen vom nordrhein-westfälischen Innenministerium herausgegebenen Comic – eine Kritik, die der "taz" immerhin einen Hinweis auf der Titelseite wert war. Schwer angefixt, entdeckte ich das ominöse Bildwerk, Google sei dank, wenig später als PDF-Datei im Netz.
Tja, worum geht’s? Im zweiten Heft der Reihe "Andi" gerät der muslimische Schüler Murat an Islamisten, die ihn mit Mudschaheddin-CDs (siehe Abbildung) zum Gotteskrieger umerziehen wollen. Derweil verzehrt sich der blonde Andi, Titelfigur und Murats bester Freund, nach Murats schöner manga-äugiger und kopftuchtragender Schwester Ayshe. Derentwegen kommt es letztlich zu Handgreiflichkeiten (ahhh, les femmes!). Auf die folgt dann freilich ein Happy-End mit Gemütlichkeit und Speiseeis.
Nun, sicher ist das von Peter Schaaff im Graffiti-Stil gezeichnete "Andi"-Heftchen kein Meisterwerk der politischen Sachliteratur, geschweige denn der "neunten Kunst". Manches ist zu simpel dargestellt, die Auflösung bietet Sozialkitsch pur. Und dann dieses salbungsvolle Sprechblasenvorwort des als Comic-Figur auftretenden FDP-Innenministers Ingo Wolf – nun ja.
Einen "platten Comic" mit "anbiedernden Ratschlägen" kann ich darin, anders als Wolf Schmidt, dann allerdings auch wieder nicht erkennen. Die Figuren haben durchaus Persönlichkeit und Witz, die Dialoge meiden pseudo-jugendliche Manierismen. Digga, ich schwör'!
Gut, als muslimischer Teenager wäre ich bei der Lektüre vermutlich zunächst einmal nur genervt. Die Identifikationsfigur Murat verhält sich schließlich nach Meinung der Autoren offenkundig falsch – wer lässt sich schon gern belehren?
Andererseits: Als Reaktion auf etwaige Ängste und Vorurteile nicht-muslimischer Jugendlicher ist der Comic durchaus gelungen. Der Unterschied zwischen Muslimen und Islamisten wird in der Geschichte immer wieder betont und erläutert, der Unterschied zwischen Islamisten und gewaltbereiten Islamisten (einer Minderheit innerhalb der Minderheit) im Textanhang erklärt.
Man möge mich meinethalben für einen Simpel halten, aber weshalb "Christian Pfeiffer, Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen" das NRW-Heftchen laut "taz" als "sehr schwarz-weiß-malerisch" verurteilt, verstehe ich nicht so ganz.
Zumindest als pädagogisches Kuriosum ist das Ding durchaus lesenswert. Auch das erste Heft der Reihe ist auf der "Andi"-Website noch zu finden: Darin legen sich Andi & Co. mit dem Neonazi "Eisenheinrich" an. Und der Sprechblasenminister ist auch wieder dabei.
über die "Königin der Herzen" schreiben würde, aber...
Zwei "Altmeister des Comics" ("Bild" zitiert die "FAZ" als Leumund) seien hier kreativ gewesen, die Namen erfährt man aber erst auf der letzten Seite, wo sich auch das Werk selbst findet: "Sid Jacobson (77) und Ernie Colón (75)" – bitte, wer? Erst beim Verweis auf deren kürzliche Comic-Umsetzung des "9/11 Report" klingelt es.
Ebenso wie bei der von viel Hype begleiteten, umstrittenen grafischen Adaption des Terror-Berichts ("Bild": "mit Sprechblasen und einem einstürzenden World Trade Center als Buntbild") frage ich mich auch bei dem exklusiv für Springer kreierten Diana-Comic: Was soll das Ganze?
Stärker noch als "The 9/11 Report" (im Original bei Marvel, deutsch bei Panini) ist auch "Dianas letzte Stunden" nur im weitesten Sinne ein Comic. Im Grunde handelt es sich um eine mit gezeichneten Momentaufnahmen illustrierte Text-Chronik, in der man nicht einmal Sprechblasen findet, geschweige denn avanciertere Techniken des sequenziellen Erzählens.
Dass die Tragödie betont nüchtern nachgezeichnet ist, macht die Umsetzung keineswegs tiefgründiger. Sid Jacobson betrachtet das als "grafischen Journalismus", doch wer den erleben will, sollte eher zu Art Spiegelmans "Maus", Joe Saccos "Safe Area Gorazde" oder Guy Delisles "Shenzhen" greifen.
Wer sich selbst eine Meinung bilden möchte: Den Comic gibt es auch online.
(Bizarrerie am Rande: Obwohl das erste Panel Diana und Dodi al-Fayed im Motorboot zeigt, plappert der "Bild"-Begleittext auf der Titelseite von einem "offenen Cabrio"! In der Online-Version desselben Textes wurde der Fehler korrigiert.)
Zum anstehenden Start des "Simpsons"-Kinofilms zeichnet John Ortved die Entwicklung der Serie nach. Ausgedruckt ist das Ding 13 pralle Seiten lang. Den größten Teil des Textes bilden clever arrangierte Interviewhäppchen von Machern und Zeitzeugen. Zwar fehlen die ganz großen Namen, etwa "Simpsons"-Erfinder Matt Groening und Produzent James L. Brooks, dafür sind aber der spätere Pixar-Regisseur Brad Bird ("Die Unglaublichen", "Ratatouille") und Late-Night-Talker und Ex-Simpsons-Autor Conan O'Brien dabei, ebenso ein gewisser Rupert Murdoch ("I said: 'We gotta be more aggressive... Let's put it up against Cosby!'").
Mein persönliches Highlight: Comic-Autor und Pulitzer-Preisträger Art Spiegelman ("Maus") erzählt, wie er dem späteren Milliardär Groening auszureden versuchte, seine Idee an Murdochs Fox zu verkaufen.
Aber genug geschnackt, hier geht's zum Artikel!
(Es handelt sich übrigens um die erweiterte Version eines Textes, der im August in der Printausgabe erscheinen wird.
Den Link verdanke ich Amid Amidi von Cartoon Brew – der im Blog andeutet, dass er eigentlich kein großer "Simpsons"-Fan ist.)
Hey, Spaß macht's trotzdem. Sage ich leicht zähneknirschend, denn obwohl mir das Quiz bei der Auswertung den zweifelhaften Titel "Cartoon-König" verliehen hat, habe ich mich nicht gerade mit Ruhm bekleckert. [...]