Terry Moores neue Serie "Echo"
Julie Martin kommt vom Metallregen in die Traufe.
Aus: "Echo No. 2"
(© 2008 Terry Moore)
Offen gesagt: Ich war mäßig begeistert, als der Comic-Händler meines Vertrauens mir vor einigen Monaten Terry Moores "Echo" ans Herz legte. "Echo" ist der Nachfolger von "Strangers in Paradise", jener mehrfach ausgezeicheten Schwarzweiß-Serie über die ungleichen Freundinnen Francine und Katchoo, die der Texaner Moore 14 Jahre lang geschrieben und gezeichnet hat.
Ende der 90er galt Moores Projekt als Prototyp des intelligenten Comics für die Frau und den aufgeklärten Mann. Nun, dieser aufgeklärte Mann hier hatte es damals gerade mit den etwas doofen, aber irgendwie auch ganz charmanten Babe-Serien "Danger Girl" und "Gen 13" (an letzterer schrieb Moore übrigens 1997 mit). Also setzte ich "Strangers in Paradise" seinerzeit auf meine Liste der "Comic-Klassiker, die ich noch lesen muss". Und das war's dann erst mal.
Inzwischen denke ich allerdings, ich sollte "Strangers" schleunigst nachholen. Denn Moores neues Baby "Echo" macht trotz einiger Macken bislang so viel Laune, dass ich dem klassischen Vorgänger gern eine zweite Chance gebe.
Auf Vergleiche zwischen "Echo" und "Strangers in Paradise" muss ich logischerweise verzichten. Moore sagt (auf "Newsarama") aber ohnehin, "Echo" sei völlig anders als der Vorgänger. Auf slice of life folgt jetzt Sci-Fi. Ursprünglich habe er "eine Kreuzung aus Heinlein and Lucas" im Sinn gehabt, wobei er verschweigt, ob er den hippiesken "Stranger in a Strange Land"-Heinlein oder den martialischen "Starship Troopers"-Heinlein meint. Letztlich auch egal, denn irgendwann habe er festgestellt, dass alle Ideen, die er während der langen Arbeit an "Strangers in Paradise" in einer Schublade gesammelt hatte, viel zu sehr nach Schublade müffelten. Woraufhin er noch mal ganz von vorn angefangen habe.
Nachdem ich die ersten drei "Echo"-Hefte gelesen habe, rate ich mal frohgemut drauf los, was Moore hier vorhat: die Erschaffung einer "Superheldin von nebenan", ausgestattet mit Neurosen, einer ziemlich schrägen Kraft und einer Prise Post-"Buffy"-Ironie. Moores knuffige Protagonistin heißt Julie Martin, versucht ihre Ehe mit einem Kfz-Mechaniker zu retten (der ihr längst die Scheidungspapiere zugeschickt hat) und beschließt im genau falschen Moment, an ihrer Karriere als Fotografin zu arbeiten: Beim Blümchenknipsen in einem kalifornischen Naturschutzgebiet regnen nach einer ominösen Explosion glänzende Kügelchen auf sie und ihr Auto herab. Die Kügelchen verbinden sich erst zu einer quecksilbrigen Masse und schmiegen sich dann wie eine bizarre Corsage an ihren Körper.
Außer innovativen Ideen zum Dessous-Design fährt Moore unter anderem eine (leider nicht sehr lange) lebende Bombe auf, eine allein erziehende Killerin und einen unangenehmen Wissenschaftler. Ein Arzt verliert mehrere Fingerkuppen, Julies Noch-Ehemann die Geduld, ein Verschwörungsfreak den Kopf. Mehr will ich hier zur Handlung nicht verraten, denn "Echo" bezieht seine Spannung ebenso sehr aus den kleinen Überraschungen wie aus dem großen, bislang nur angedeuteten Komplott.
Ich hatte eingangs erwähnt, dass "Echo" einige Macken hat. Anders als Indie-Kollege Jeff Smith in seiner fast zeitgleich gestarten Serie "RASL", hält sich Moore beim Einsatz von Schatten zurück; leider wirken seine Seiten deshalb mitunter "zu weiß", fast so, als harrten sie noch der Kolorierung. Störender finde ich allerdings Moores erstaunlich krude Sprechblasen (ab Heft 3 wird’s besser) und lahme Cover (Nr. 4 lässt hoffen). Und warum, bitte, hat ihm niemand die Schnapsidee ausgeredet, jedem Kapitel einen pazifistischen Kalenderspruch von Albert Einstein voranzustellen? Hey, nichts gegen Pazifismus oder den guten alten Albert, aber... come ON!
Okay, das ist Kleinkram, der mich nur deshalb nervt, weil er in einer ansonsten tollen Serie stärker auffällt als in irgendeiner Comic-Gurke. Insgesamt bietet "Echo" eine spannende Mischung aus Mainstream und Indie, inhaltlich wie ästhetisch. Moore pflegt einen realistischen Zeichenstil mit einem Hauch Cartoon. Die Gesichter seiner Figuren bestechen durch nuancierte Mimik. Dies macht emotionale Szenen subtil und komplex, zumal Moore auch im ungekünstelten Dialog Klischees meidet. Bei Einstellungen und Montage orientiert er sich an Hollywoods klassischem Continuity-Schnitt (Schauplätze führt er oft in detailverliebten Panoramabildern ein). Experimentelle Layout-Artistik sollte man hier wohl nicht erwarten, sondern einfach den filmischen Fluss der Bilder genießen.
"Echo" erscheint in Terry Moores eigenem Verlag Abstract Studio. Vielleicht verrät der Meister dann in Heft 4 ja endlich, warum das Ganze eigentlich "Echo" heißt.
"Echo No. 1–3"
Text und Grafik: Terry Moore
Abstract Studio 2008; 24 Seiten, $ 3,50.