
Gegen das Altern hilft offenbar nur eines: fortwährend blau sein.
Die Schlümpfe jedenfalls, die dieses Jahr stramme 50 werden, sehen immer noch ziemlich frisch aus. Obwohl das halbe Jahrhundert erst am 23. Oktober voll wird, gibt es bereits jetzt eine mäßig informative "Happysmurfday"-Website.
Zudem geistern die belgischen Wichtel schon seit letztem Wochenende durch die deutschen Gazetten, u. a. weil die Schlumpfinenquote in einem neuen 3-D-Schlumpf-Film drastisch erhöht werden soll.
Der interessanteste Aspekt der Schlümpfe ist vielleicht, dass es ein "Schlumpf"-Prinzip oder eine Schlumpf-Idee zu geben scheint, ein egoistisches Schlumpf-Gen oder ein Schlumpf-Mem. Anders kann ich mir nicht erklären, weshalb offenbar das halbe Abendland auf Schlümpfe steht, allerdings in ganz unterschiedlichen Darreichungsformen.
Franzosen und Wallonen waren im Oktober 1958 sofort hin und weg, als der Zeichner Pierre Culliford alias Peyo seine Schtroumpfs erstmals im Comic-Magazin "Spirou" auftreten ließ, damals noch als Nebenfiguren in der Mittelalter-Abenteuerserie "Johan et Pirlouit" ("Johann und Pfiffikus").
In Deutschland fand man eher Gefallen an den von der schwäbischen Firma Schleich gefertigten Schlumpf-Plastikfiguren denn an den Comics. In den USA wiederum reüssierten the Smurfs vor allem als Trickfilmserie.
Hier nun meine hochnotpersönliche Schlumpf-Beichte: [...]
...fällt mir auf:
Der Comic ist das Migrantenkind unter den Medien. Er gilt per se erst einmal als brutal, gefühllos, unreif und insgesamt schwer in die Norm integrierbar.
Um in Deutschland (allerdings: nicht nur hier) zu gesellschaftlicher Anerkennung zu gelangen, muss er deutlich intelligenter und/oder schöner sein als der Durchschnitt.
So langsam komme ich auf den Geschmack:
Internet-Radio ist ja echt 'ne feine Sache!
BBC Radio 4 sendete am 10. Januar ein schönes Porträt des US-Comic-Zeichners Garry Trudeau und seiner seit 1970 laufenden Zeitungsstrip-Serie "Doonesbury". Seine Mischung aus Soap und Politsatire brachte Trudeau 1975 als erstem Comic-Künstler einen Pulitzerpreis. Hierzulande erschienen 1983/84 zwei Sammelbänden bei Carlsen: für mich damals echte Augenöffner, faszinierend komplex und witzig. (Leider längst vergriffen, aber preiswert bei Ebay etc. zu bekommen.)
Weil der linksliberale Trudeau so ziemlich jedes US-Debakel von Watergate über Monica Lewinsky bis zur aktuellen Irakkrise gallig kommentiert, handelte er sich seit den frühen 70ern immer wieder Ärger mit Politikern ein - und nicht nur mit denen, wie man in dem BBC-Beitrag erfährt: "He's as funny as a tumor", lautete Frank Sinatras Kompliment an Trudeau, nachdem der ihn in einem "Doonesbury"-Panel im Kreise befreundeter Mafiosi gezeichnet hatte.
Momentan kann man der knapp halbstündigen Sendung noch auf der BBC-Website lauschen. Trudeau kommt darin ausführlich selbst zu Wort, das Gespräch fand in seiner New Yorker Wohnung statt.
Ein besonders interessantes Detail: Trudeau studierte gemeinsam mit einem gewissen George Walker Bush in Yale. Zu Trudeaus ersten veröffentlichten Zeichnungen zählen Cartoons über Bushs berüchtigte Studentenverbindung "Delta Kappa Epsilon": Während eines Aufnahmerituals wurden Studenten damals mit einem verbogenen Kleiderbügel Brandzeichen in die Haut gesengt, Trudeau illustrierte in der "Yale Daily News" einen Artikel über diese Sadomaso-Sitten.
Auf den Gedanken, dass Bush jr. jemals Präsident werden würde oder das auch nur wollte, wäre Trudeau allerdings nie gekommen, denn:
"he was pushing as hard as he could away from his father. [...] He did not want to be that person."
Heiliger Lachsack: Religionsunterricht à la Brad Neely
(© Brad Neely/Super Deluxe)
Okay, zuerst die kurze, heitere Version:
Vor wenigen Tagen stieß ich auf Umwegen (siehe "die lange, tragische Version") auf Brad Neelys atemberaubend komische Web-Trickfilmserie "The Professor Brothers":
Die US-Dozenten Frank und Steve (beide gesprochen von Neely) halten exzentrische Vorlesungen ("Bible History #1", "History Lesson #1"), betätigen sich karitativ im Strafvollzug ("Prisoner Christmas") und erleben amouröse Abenteuer nach Feierabend ("Late Date"). Neelys krude Animation macht die Filmchen sogar noch komischer.
Also: viel Spaß!
So. Nun die lange, tragische Version:
Ende Dezember mailte mir ein lieber Kollege einen Link zur einer Bestenliste des Online-Magazins "Nerve": die besten "Viral Videos" 2007.
In dieser Auswahl famoser bis infamer YouTube-Clips fand ich neben belanglosen "Skandal"-Szenen aus US-Talkshows viel Lustiges und Schönes, darunter eine sexy Liebeserklärung an Obama (Platz 18), eine subversive Gesangsdarbietung von Harry-Potter-Handpuppen (Platz 16), eine fröhlich mit ihren (bekleideten) Brüsten spielende Heidi Klum (Platz 8) und den bereits semi-berüchtigten Will-Ferrell-Kurzfilm "The Landlord" (Platz 1).
Am meisten begeistert hat mich aber Brad Neelys Zeichentrick- Musikvideo "George Washington" (Platz 15). Neely, Zeichner der "Creased Comics"-Webcartoons, Musiker und Animator, besingt darin den ersten US-Präsidenten:angeblich zwölf Stockwerke hoch und aus Kernkraft gemacht, Erfinder des Kokains und mit vier bis dreißig Dödeln ausgestattet (Neely scheint sich da nicht so sicher zu sein).
Wenige Tage später – ich hatte inzwischen im ganzen Büro für "dieses irre lustige Video" getrommelt – war das Ding nicht mehr da! Wer bei YouTube die Suchbegriffe "George Washington" und "Brad Neely" eingab, gelangte zu einem anderen, arg nüchternen Clip: Unterlegt mit Neelys "Washington"-Song, erschienen Texttafeln, die erklärten, warum man "George Washington" bei YouTube fürderhin nicht mehr finden würde.
Die dort referierte Geschichte ist freilich schon etwas älter, auch Neely hat sich dazu geäußert, bevor das Originalvideo gesperrt wurde:
Brad Neely hatte seinen "Washington"-Clip anno 2006 bei der Indie-Veranstaltung "Spike and Mike’s Twisted Film Festival" eingereicht und dafür ein Honorar von 250 Dollar erhalten. Bei der Unterzeichnung des Festivalvertrags übersah er jedoch das Kleingedruckte und übertrug die Rechte am künftigen Kult-Clip für das magere Entgelt komplett an die Veranstalter Craig "Spike" Decker und Mike Gribble.
Dazu Neely auf "chiefmag.com": "When I tried to fix the problem they would not talk to me. It’s my fault. I didn’t read what I signed. But God, nice guys, let me tell ya." Die netten Jungs bestanden dann Ende 2007 darauf, dass "George Washington" bittschön nicht mehr für lau auf "YouTube" laufen dürfe.
Wenige Tage später war dann selbst diese Online-Erklärung nicht mehr auf YouTube zu finden. An Neelys Geniestreich erinnert dort nur noch ein dilettantisches Filmchen, in dem betrunkene junge Menschen die schönsten Stellen aus Neelys "George Washington" und der bereits bereits erwähnten Bibelstunde der "Professor Brothers" vortragen.
Alles ziemlich traurig.
Immerhin: Durch den Internet-Rummel um "Washington" gelangte Neely zu seinem wesentlich besseren Deal mit der Internet-Spaßkeks-TV-Site "Superdeluxe.com", wo nun u. a. seine Professorenbrüder wertvolle Aufklärungsarbeit leisten.
Und nur so nebenbei: Wer bei einer alternativen Videoplattform wie "Poe TV" die Suchbegriffe "Brad Neely" und "George Washington" eintippt, der stößt auch immer noch ziemlich rasch auf Neelys Klassiker.
Bislang jedenfalls.
"My confusion gradually faded as
the day wore on, a succession of
pots of tea and stalled projects."
Dylan Horrocks:
"Hicksville"
"Hossa, da bin ich wieder!" So habe ich ja schon Mitte Dezember etwas voreilig posaunt. Dann aber mochten die alten Bekannten Erkältung und Post-Weihnachtsdepression auch 2007 nicht auf einen Besuch verzichten (und hängen hier sogar noch immer herum) und jetzt ist das alte Jahr auch schon wieder perdu.
Nichtsdestrotrotz: Die Festtage habe ich zwar internet-, aber nicht comic-frei verbracht. Man erlaube mir, zwecks einer kurzen Chronik ausnahmweise ins atemlose Präsens zu wechseln:
Bei einem vorweihnachtlichen Umtrunk in Hannover erfahre ich am 22. Dezember: Hinter dem vor wenigen Monaten gescheiterten Versuch einer Wiederbelebung der in den 70ern für ihren psychedelischen Look gerühmten "Perry Rhodan"-Comics stand kein Geringerer als Karl Nagel, Ex-Kanzlerkandidat der Anarchistischen Pogo-Partei Deutschlands (APPD), außerdem bekannt als Webdesigner und Punkpromi of "Chaostage"-fame.
Ach, ich hab ja offenkundig wirklich von nix 'ne Ahnung! Nicht einmal davon, dass Herr Nagel (mit bürgerlichem Namen: Peter Altenburg) auch die hanseatische Horrorcomic-Anthologie "Elbschock" und den Superheldenversuch "Alphatier" lanciert hat. Dabei steht das alles schon lange im Netz.
Tags darauf bin ich bei einem befreundeten Zeichner zu Gast, der vom 22. Comic-Seminar in Erlangen erzählt.
Ich staune andächtig: Zwanzig Zeichner leben eine Woche lang jugendherbergesk zusammen, zeichnen von früh morgens bis spät abends, dass es rauscht. Die DozentInnen Isabel Kreitz ("Die Entdeckung der Currywurst"), Pascal Rabaté (hierzulande – auch mir – leider unbekannt) und der umtriebige Szene-Veteran Paul Derouet beraten – und raten gegebenenfalls auch mal ab, wenn ihnen Story-Ideen nichts spruchreif erscheinen.
Klingt alles großartig. Leider muss man zeichnen können, um an dem Seminar teilzunehmen. Was soll nur aus mir werden?
Über Weihnachten hole ich dann zwei Comics nach: die faszinierend ambivalente Comic-Tierfabel "Pride of Baghdad" meines derzeitigen Lieblings-US-Autors Brian K. Vaughan ("Y – The Last Man", "Ex Machina") und den brillant gezeichneten, hochsensibel erzählten, aber leider doch arg vorhersehbaren Krimi-Manga "Die Stadt und das Mädchen" von Jirō Taniguchi.
Außerdem - man kann ja nicht immer nur Comics lesen - löse ich mit Gänsebraten im Bauch endlich das Text-Computerspiel "Anchorhead" (Nerd-Zeug? Ja, aber schlau gemacht und sauspannend!) und lese Daniel Kehlmanns Seit-136-Wochen-oder-so-auf-der-Spiegel-
Bestsellerliste-Bestseller "Die Vermessung der Welt", den – ich trau' mich ja kaum, das zu sagen – ich rasend komisch finde.
Nicht aus dem Kopf geht mir bis Neujahr freilich der letzte 2007er Beitrag im immer lesenswerten "Welt am Draht"-Comic-Blog: Die dort verlinkten amerikanischen Bestenlisten und erst recht die Nominierungslisten für das Festival in Angoulême zeigen einem mal wieder, was man alles verpasst hat oder - für Fans halbvoller Gläser - was man im neuen Jahr getrost kaufen kann.
In diesem Sinne:
Viel Spaß mit 2008!