Der "Watchmen"-Trailer
(in besserer Qualität hier, in HD hier)
Vor einiger Zeit gelang den US-Satireprofis von "The Onion", ihres Zeichens Spezialisten für getürkte Nachrichten, ein kleines Meisterwerk: Auf der Website ihres Fake-Fernsehsenders "Onion News Network" verbreiteten sie die Meldung, Fans des beliebten "Iron Man"-Trailers seien besorgt, weil Hollywood aus dem Trailer angeblich einen ganzen Film machen wollte.
Diese genial verdrehte Online-Ente spukte mir gestern Abend fortwährend im Hinterkopf herum, als ich mir fünf- oder sechsmal den frischen "Watchmen"-Trailer reinpfiff – und sie verdarb mir fast den Spaß. Wie gesagt: "fast", denn Spaß hatte ich durchaus. Der Trailer zu Zack Snyders Comic-Verfilmung gefiel mir mit jedem Mal besser, weil ich immer mehr Bekanntes wiederfand (die panische Reinigungskraft bei Doctor Manhattans Wiedergeburt, das Attentat auf Ozymandias, Rorschachs Besuch in Molochs Küche – wenn auch leider ohne die herrlich bekloppte Kühlschrankszene) oder Neues entdeckte (Oooh, Mama, Silk Spectre sure looks NICE! Eine meiner Lieblingszenen, der erste Kuss von Frau Spectre und Herrn Manhattan, ist auch drin. Erinnert Ihr Euch? "After each long kiss, she plants a smaller, gentler one upon my lips, like a signature.").
Aber zurück zur "Onion"-Ente. Okay, ich mag den Trailer. Aber werde ich auch die geplante abendfüllende Version mögen? Immerhin war ich letztes Jahr auch vom Trailer zu "300" hin und weg, Zack Snyders Adaption von Frank Millers... öhm... Historien-Comic. Da mir 2004 Snyders Remake des Romero-Klassikers "Dawn of the Dead" sehr gefallen hatte, marschierte ich also mit großen Erwartungen ins Kino. Was für eine Enttäuschung! Sicher, Snyder hatte die Farbgebung von Millers Ex-Gattin Lynn Varley brillant übertragen und auch viele Einstellungen exakt aus dem Comic übernommen. Leider lieferte er aber eine reichlich törichte Interpretation ab.
Millers "300" ist, passend zur Heimat der Protagonisten, spartanisch und lakonisch erzählt ("From dear Laconia -- from sacred Sparta -- we march."). Snyders "300" dagegen ist alles andere: Der Regisseur schwelgt optisch in hollywoodesker Opulenz und fügt Millers Story diverse monströse Kreaturen und eine dümmliche Sandalen-Intrige um Königin Gorgo hinzu. Ich will gar nicht erst davon anfangen, dass mehrere dramaturgische und geradezu "filmische" Kniffe des Comics nicht im Film auftauchen. (Bevor wir uns falsch verstehen: Ich bin kein bedingungsloser Miller-Fan. Den Trailer zu seinem 2009 anlaufenden "Spirit"-Film finde ich z. B. nur ärgerlich.)
Anders als bei "300" müssen Snyder und sein Team bei "Watchmen" keine kurze Story aufblasen, sondern eine gigantische eindampfen. Bereits im Trailer weicht Snyder diesmal von der Optik der Vorlage ab: neue Kostüme, keine grellen Farben. Genau das weckt Hoffnung. Snyder verkauft seinen Film diesmal von vornherein nicht einfach als Adaption, sondern vor allem als Interpretation der Graphic Novel. Das ist ehrlich und gescheit. Der Comic von Alan Moore und Dave Gibbons ist ein kaum wiederholbares Vexierspiel. So wie sich in der Maske des Superhelden Rorschach Schwarz und Weiß zu immer neuen Formen fügen, fließen in der Geschichte Realität und Fiktion, Gut und Böse, Hoch- und Trivialkultur in- und auseinander. Die Struktur der Erzählung und ihrer Panels folgt derweil dem Spiegelprinzip von Rorschach-Bildern.
Nur der illegitime Klon-Sohn von Peter Greenaway und James Cameron hätte eine reelle Chance, eine wahres Film-Gegenstück zu diesem Konstrukt zu erschaffen. Aber wenn es Snyder gelänge, auch nur eine Andeutung dieses komplexen Spiels in den Film zu übertragen und dabei immer noch einen spannenden Superhelden-Krimi zu erzählen, dann wäre ich schon begeistert.