Mittwoch, 7. November 2007
Comics vom Verfassungsschutz?


Multimedia-Offensive der Mudschaheddin:
Kann Schüler Murat widerstehen?
Aus: "Andi 2"

(© CODEX/Innenministerium Nordrhein-Westfalen)


Unter dem Titel "Sprechblasen für Schläfer" schimpfte Wolf Schmidt in der gestrigen "taz" (5. 11. 2007, Seite 14) über einen vom nordrhein-westfälischen Innenministerium herausgegebenen Comic – eine Kritik, die der "taz" immerhin einen Hinweis auf der Titelseite wert war. Schwer angefixt, entdeckte ich das ominöse Bildwerk, Google sei dank, wenig später als PDF-Datei im Netz.

Tja, worum geht’s? Im zweiten Heft der Reihe "Andi" gerät der muslimische Schüler Murat an Islamisten, die ihn mit Mudschaheddin-CDs (siehe Abbildung) zum Gotteskrieger umerziehen wollen. Derweil verzehrt sich der blonde Andi, Titelfigur und Murats bester Freund, nach Murats schöner manga-äugiger und kopftuchtragender Schwester Ayshe. Derentwegen kommt es letztlich zu Handgreiflichkeiten (ahhh, les femmes!). Auf die folgt dann freilich ein Happy-End mit Gemütlichkeit und Speiseeis.

Nun, sicher ist das von Peter Schaaff im Graffiti-Stil gezeichnete "Andi"-Heftchen kein Meisterwerk der politischen Sachliteratur, geschweige denn der "neunten Kunst". Manches ist zu simpel dargestellt, die Auflösung bietet Sozialkitsch pur. Und dann dieses salbungsvolle Sprechblasenvorwort des als Comic-Figur auftretenden FDP-Innenministers Ingo Wolf – nun ja.

Einen "platten Comic" mit "anbiedernden Ratschlägen" kann ich darin, anders als Wolf Schmidt, dann allerdings auch wieder nicht erkennen. Die Figuren haben durchaus Persönlichkeit und Witz, die Dialoge meiden pseudo-jugendliche Manierismen. Digga, ich schwör'!

Gut, als muslimischer Teenager wäre ich bei der Lektüre vermutlich zunächst einmal nur genervt. Die Identifikationsfigur Murat verhält sich schließlich nach Meinung der Autoren offenkundig falsch – wer lässt sich schon gern belehren?

Andererseits: Als Reaktion auf etwaige Ängste und Vorurteile nicht-muslimischer Jugendlicher ist der Comic durchaus gelungen. Der Unterschied zwischen Muslimen und Islamisten wird in der Geschichte immer wieder betont und erläutert, der Unterschied zwischen Islamisten und gewaltbereiten Islamisten (einer Minderheit innerhalb der Minderheit) im Textanhang erklärt.

Man möge mich meinethalben für einen Simpel halten, aber weshalb "Christian Pfeiffer, Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen" das NRW-Heftchen laut "taz" als "sehr schwarz-weiß-malerisch" verurteilt, verstehe ich nicht so ganz.

Zumindest als pädagogisches Kuriosum ist das Ding durchaus lesenswert. Auch das erste Heft der Reihe ist auf der "Andi"-Website noch zu finden: Darin legen sich Andi & Co. mit dem Neonazi "Eisenheinrich" an. Und der Sprechblasenminister ist auch wieder dabei.

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