Dienstag, 6. Juli 2010
Nee, nee, nee...

...was gab es da gleich wieder für böse Kommentare, als Marcel Reich-Ranicki sich in seiner jüngsten wöchentlichen Fragerunde in der FAZ nicht eben enthusiastisch über Panels und Sprechblasen äußerte.

"Sind Comics Literatur und lesen Sie selber Comics?" fragt der Leser Bernhard Wien.

Und MRR antwortet auf diese zwei Fragen gleich dreimal:

"Nein, nein, nein."

Jawohl, da packt er nicht mal die Ausrufezeichen aus, der Meister.

Und natürlich hat er recht, allerdings nur zweimal.

1. Comics sind keine Literatur, sondern eben Comics. Ein eigenes Medium und kein "Genre", wie sie einige Unbelehrbare immer noch nennen (darunter auch FAZ-Autoren).

2. Aha: Marcel Reich-Ranicki liest also keine Comics. Das ist sein gutes Recht. Trotzdem wusste er das mit dem Medium. Reee-schpekt!

Nur: Dann hätte er allerdings auch wissen können, dass dem Comic die Kunst der Reduzierung immanent ist, der Wille, sich aufs Nötigste zu beschränken. Warum also ein drittes Nein verschwenden?

Trotzdem: Danke für die Auskunft, Maître.

Und Dank auch an Bernhard Wien für die Frage. Erstens weil auch mich deren zweite Hälfte tatsächlich immer schon interessiert hat (obwohl ich mir die Antwort denken konnte) und zweitens, weil sie einen sehr guten Scherz enthält.

"Sind Comics Literatur und lesen Sie selber Comics?"

Das erinnert doch unverschämt an den Groucho-Marx-Klassiker:

"Wollen Sie mich heiraten? Hat Ihr Mann Ihnen Geld hinterlassen? Bitte beantworten Sie die zweite Frage zuerst!"

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Sonntag, 13. Juni 2010
Enttarnt: Die Graphic-Novel-Mafia!
Eine Art Nachtrag zu Erlangen 2010

© Paramount


Witze, die man erklären muss, sind bekanntlich schlecht. Dennoch erlaube ich mir, ein paar Worte zum Kontext obigen Fotos und der Fotostrecke weiter unten zu sagen. Nicht als Erklärung, sondern als eine Art "Making of Witz".

Es begann einige Tage, bevor in Franken die ersten Cosplay-Nymphen in ihre Kostümchen schlüpften, die ersten Artbook-Aficionados ihre Portemonnaies und die ersten Comiczeichner ihre Signierfilzer zückten. Obwohl ich dieses Jahr leider nicht in Erlangen dabei sein konnte, hat mir der 14. Comic-Salon (3. – 6. Juni) doch große Freude bereitet. Anlässlich der mit zwanzig Titeln bestückten Kandidatenliste für die Max-und-Moritz-Preise, darunter der neu eingeführte Publikumspreis, entbrannte im "Comicforum" eine teils intelligente, teils peinliche, in jedem Fall aber in vielerlei Hinsicht aufschlussreiche Debatte über die Anzahl und Auswahl der Nominierungen. Tenor der Unzufriedenen: zu viel Kunst, zu wenig Spaß, ein arg eingeschränktes Verlagsspektrum und einige seltsame Kandidaten (etwa der witzige, hierzulande aber kaum bekannte Zeitungsstrip "Lio"). Obwohl sechs der zwanzig Titel auf meinen eigenen Bestenlisten der Jahre 2008 und 2009 auftauchten, finde ich die Kritik insgesamt berechtigt. Diese Shortlist ist zu kurz und arg undiplomatisch.

Nun, inzwischen stehen die Gewinner längst fest, das Publikum hat einen der anspruchsvollsten Kandidaten prämiert (Ulli Lusts "Heute ist der letzte Tag vom Rest deines Lebens ") und vielleicht gibt’s beim nächsten Salon in zwei Jahren ja einfach ein paar Nominierungen obendrauf, die dann alle glücklich machen.

Schnee von gestern ist die Diskussion im "Comicforum" deshalb noch lange nicht, und sei es auch nur, weil sie der Comicszene einen neuen Begriff geschenkt hat: "Ehrlich gesagt", spottet dort nämlich Diskussionsteilnehmer Mervyn, "sieht diese [Nominierungs-]Liste aus, als wäre sie von der Graphic-Novel-Mafia zusammengestellt."

Graphic. Novel. Mafia. Che bel nome! Wenn ich jemals einen Comicladen eröffnen sollte, möge er so heißen und nicht anders!

"Ich habe es immer für ein Gerücht gehalten, dass es so was gibt", staunt selbst Comicszene- und "Comixene"-Veteran Eckart Sackmann, der die Diskussion mit einem Aufruf zum Boykott des Publikumspreises erst so richtig losgetreten hatte.

Jedenfalls: Danke, Mervyn! Und: Ja, Herr Sackmann, es gibt die Graphic-Novel-Mafia! Sehr lange schon sogar. Begeistert von der Enthüllung im Forum, habe ich in den vergangenen Tagen recherchiert und bin dabei auf erstaunliche Details über die Comic Nostra gestoßen. Seit fast hundert Jahren versuchen kunstcomic-vernarrte Gangster, den unschuldigen Lesern ihren Spaß an fliegenden Jungs in Strumpfhosen und tödlichen Amazonen in Lack und Leder zu verderben. Nur diesen seltsamen amici der Neunten Kunst ist es zu verdanken, dass es das adrette "Danger Girl" nie in den Feuilleton geschafft hat, "Die Hure H." aber schon.

Die folgende Fotostrecke bietet einen ungeschminkten, schockierenden Einblick in die Geschichte der Graphic-Novel-Mafia.

The story you are about to see is true.
Only the facts have been changed to protect the innocent.




In den 20ern versucht Al Capone in Chicago, seine Schergen an die Avantgarde der sequenziellen Kunst heranzuführen.




1939: Just aus Alcatraz entlassen, steht Capone dem Erfolg der ersten Superheldencomics fassungslos gegenüber.




1946 aus den Vereinigten Staaten nach Italien abgeschoben, trägt der Mafioso Lucky Luciano das Kunstcomic-Virus in die Alte Welt.




Der intelligente Gangster Meyer Lansky teilt seine Vision einer
"neuen" Comic-Kultur mit einem Polizisten.




Der New Yorker Pate Frank Costello sagt Anfang der 50er vor einem Komitee des US-Senats aus. Wenig später zerstört der "Comics Code" die blühende Crime- und Horror-Comicszene.




Die Polizei hat für die "versnobte" Comic Nostra nur Spott übrig.
So wie diese FBI-Beamten, die nach der Ermordung des Gangsters
Alberto Anastasia 1957 den Tatort inspizieren.


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Samstag, 19. Januar 2008
Nach mehrwöchiger Lektüre von "Bild"-Schlagzeilen...

...fällt mir auf:

Der Comic ist das Migrantenkind unter den Medien. Er gilt per se erst einmal als brutal, gefühllos, unreif und insgesamt schwer in die Norm integrierbar.

Um in Deutschland (allerdings: nicht nur hier) zu gesellschaftlicher Anerkennung zu gelangen, muss er deutlich intelligenter und/oder schöner sein als der Durchschnitt.

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