Na, "spontan" geht aber anders, Maître!
Egal: Lewis Trondheim, Europas amtierender Comic-Papst, veröffentlicht in seinem ansonsten vorzüglichen Zeichner-Blog gerade seine Erlebnisse auf der bereits am 13. Oktober 2008 gestarteten Signier-Tournee durch Deutschland und die Schweiz (wobei im Blog kurioserweise nur nur die Rede von einer "tournée de dédicace en allemagne" ist).
Leider lässt Copyright-Fan Trondheim seine Beiträge nach einigen Tagen buchstäblich verblassen, um sie später in – natürlich ebenfalls vorzüglichen – Büchern zu sammeln.
Voici le link!
Alors, les amis, dépêchez vous! (Or buy the book!)
Abtlg. "Mein schönstes Ferienerlebnis":
Lewis Trondheim signiert auf der Frankfurter Buchmesse
Als sich vor drei Wochen mein – auch noch selbst zusammengebauter *schnüff* – Rechner nach monatelangem Rumgezicke in die ewigen Egoshooter-Gründe verabschiedete, passte das genau ins Bild. Neben einem Krankheitsfall in der Familie und Sparmaßnahmen beim Brötchengeber nahm es sich sogar als das kleinere Übel aus.
Inzwischen sieht es großenteils wieder besser aus. Auf jeden Fall bin ich wieder online, und der Scanner schnurrt. Da will ich jetzt gar nicht mit meinen skurrilen Erlebnissen beim Abholen des neuen PCs langweilen. Nur so viel: Ein zähnefletschender, in vollem Lauf gegen einen Drahtzaun krachender Rotweiler spielt darin eine wichtige Rolle.
Nee, da erzähl ich doch lieber ein bisschen von meinem Trip nach Frankfurt am letzten Wochenende. In erster Linie bin ich zum Babygucken zu Freunden runtergereist. Freilich ließ sich das ganz prima mit einem Besuch der Buchmesse und vor allem einem Signiertermin bei meinem Lieblingszeichner Lewis Trondheim (siehe dazu auch hier und hier) verbinden. [...]
(Worin das geneigte Publikum erfährt, dass Killerspielfiguren weinen können und dass ein roter Faden manchmal Verwirrung stiftet)
(Fortsetzung von Teil 1)
Der Sinn des Klebens:
Panini-Sticker zum Comic-Salon 2008
Ein bisschen juckte es mich in Erlangen ja doch in den Fingern, immer wenn ich diese Stickeralben sah: Das Klebebild- und Comic-Imperium Panini hatte in Zusammenarbeit mit den Veranstaltern ein Heft erstellt, in das man über 150 Abziehbilder von Künstler und Comics des Salons kleben konnte. Die Bilder gab es bei den entsprechend Ständen, Ausstellungen und so weiter. Alles kostenlos. Eine durchaus clevere Idee, um die Besucher in möglichst viele Bereiche des Salons zu ziehen – und offenbar auch in eine düstere Kneipe, wie die Erlanger Bloggerin Lisa Neun berichtet.
Das Album ließ ich standhaft liegen. Zu lebendig war die Erinnerung an Frust aus Kindertagen, als ich derlei Alben alle Jahre wieder bestenfalls zu drei Vierteln voll bekam. Etwa zwanzig der bunten Bildchen steckte ich zur Erinnerung dann aber doch ein.
Eigentlich war ich ja nach Erlangen gekommen, um etwas ganz anderes zu sammeln: Neun Comic-Bände schleppte ich mit mir herum, damit mir verehrte Künstler was hineinzeichneten und -schrieben. Und das Sammeln signierter Zeichnungen lief dann auch wesentlich besser als die Klebebildjagd anno dunnemals. Erfreulicherweise hatten die Zeichner auch Zeit für einen kurzen Schnack. Und: Es machte Spaß, jene Autoren, die in den eigenen Comics auftreten, mit ihren Alter Egos zu vergleichen. Wer "Olaf G." (avant-Verlag) gelesen hat, jene Mischung aus exzentrischer Biografie (des "Simplicissimus"-Zeichners Olaf Gulbransson) und alkoholisiertem Reise-Tagebuch, erkennt dessen Schöpfer sofort wieder: Die Norweger Fiske und Kverneland wirken so jungenhaft und aufgedreht wie im Comic (wenn auch nicht so kubistisch wie in Fiskes Zeichnungen) und reden mindestens genau so gern über deutsche Klosterbraukunst wie über Comics.
Auch ohne Klosterbräu gut gelaunt:
die Norweger Steffen Kverneland und Lars Fiske
Auf die Frage, was denn als nächstes komme, zog das Duo die norwegische Version des zweibändigen Comics "Kanon" aus einem Umschlag: [...]
(Worin das geneigte Publikum erfährt, wie man verfeindete Lager eint, die Wonnen der Beschränkung auskostet und "Lewis Trondheim" korrekt ausspricht)
Die Asiaten kommen – wieder mal:
Die plakative Schönheit schuf " Benjamin" aus China
Mit den Hühnern aufstehen, sich über die Deutsche Bahn ärgern, Muskelkater vom stundenlangen Bücherschleppen bekommen und nachts ganz horribles Zeug träumen: All das habe ich letztes Wochenende getan. Und trotzdem war's ein Riesenspaß, dieses Wochenende auf dem Comic-Salon in Erlangen.
Der dreizehnte Salon war mein erster, denn bislang hatten mich Zeitmangel und/oder Phlegma stets vom Besuch abgehalten. Die Dreizehn war hier sicher keine Unglückszahl. Als Debütant kann ich die 2008er Veranstaltung selbstverständlich nicht mit früheren vergleichen. Allerdings hörte ich allenthalben, die Stimmung sei so gut wie noch nie. Am Stand der besten deutschen Comic-Zeitschrift, "Reddition", hieß es, in den Jahren zuvor hätten Aussteller regelmäßig "den Untergang des Abendlandes verkündet", soll heißen: das Ende aller Comic-Kultur in Deutschland. Diesmal aber herrsche überall eine fast schon zu rosige Aufbruchslaune.
Jawoll, Damundherrn, aufgepasst und hergehört: Das Zauberwort heißt "Graphic Novel"! Die Idee eines Comic-Äquivalents zum Roman sorgt zwar noch nicht für neue Umsatzrekorde, wohl aber für deutlich stärkere Medienpräsenz. In der samstäglichen Diskussion mit den Gewinnern des am Freitag verliehenen Max-und-Moritz-Preises erinnerte sich der Comic-Publizist Andreas C. Knigge, dass es vor 15 Jahren noch ganz anders ausgesehen hatte: Als er 1983 als frisch gebackener Carlsen-Cheflektor bei der FAZ anklingelte, um einen Artikel zum Tode des "Tim und Struppi"-Schöpfers Hergé anzuregen, habe man dort geradezu "hysterisch" reagiert: "Mit Comics wollte man nichts zu tun haben." Heute ist der FAZ-Autor Andreas Platthaus wohl der renommierteste deutsche Comic-Journalist.
Was in derselben Diskussion nicht ausgesprochen wurde: Die Beliebtheit der Bezeichnung "Graphic Novel" erklärt sich meines Erachtens u. a. daraus, dass sie Versöhnung zwischen den verfeindeten Leserlagern stiftet. Bezeichnenderweise wurde dieses Jahr "Vertraute Fremde" von Jiro Taniguchi sowohl mit mit der Max-und-Moritz-Trophäe für den besten Manga als auch zuvor schon mit dem Journalistenpreis "Comic des Jahres" ausgezeichet. Wenn sich die Freunde amerikanischer, europäischer und japanischer Comics auch sonst auf nichts einigen können: in der Graphic Novel, so schwammig dieser Begriff sein mag, finden sie einen kleinsten gemeinsamen Nenner. Wobei "kleinster Nenner" hier erfreulicher- und ausnahmsweise mal kein Synonym für "fauler Kompromiss" ist.
Anke Feuchtenberger und Nicolas Mahler zeichnen
und signieren am Reprodukt-Stand
Einen amüsanten und intelligenten Kontrapunkt zur Freude an der formalen Freiheit der "Graphic Novel" setzte in dieser Diskussion der Wiener Nicolas Mahler, dessen "Flaschko – der Mann in der Heizdecke" Tags zuvor als bester Strip ausgezeichnet worden war. Von Knigge auf die Beschränkungen des Strips gegenüber dem Comic-Roman angesprochen, erklärte Mahler, dass er just diese Beschränkung als Arbeitserleichterung empfinde: Die immergleiche Drei-Panel-Struktur seiner "Flaschko"-Strips sei das Format, "in dem ich arbeite und kämpfe." Und weiter: "Wenn mich dagegen eine Zeitung anruft und sagt: ‚Wir geben dir eine Seite. Kannst machen, was du willst!', dann ist das für mich eine viel schlimmere Anstrengung."
[Alle Mahler-Zitate sind bitte in feinstem Weanerisch zu lesen.]
Einen weitereren Höhepunkt dieser Diskussion lieferte der französische Zeichner Alfred. Am Vortag hatte er stellvertretend für Olivier Ka dessen Auszeichnung für das beste Szenario zum autobiografischen Kindesmissbrauchs-Comic "Warum ich Pater Pierre getötet habe" entgegengenommen. Auf Andreas C. Knigges Frage, warum denn gerade das Genre der Autobiografie so viele gute Graphic Novels hervorbringe, gab Alfred eine seltsam unpräzise Antwort: Vor fünfzehn Jahren hätten Künstler wie David B. oder Lewis Trondheim halt die in klassischen Genres festgefahrene frankophone Comic-Welt revolutioniert und für jedwedes Thema geöffnet. (Lag's an der Dolmetscherin? Ich bezweifle es, denn ihre Übersetzungen aus dem Französischen schienen durchaus korrekt zu sein.)
Nichtdestotrotz barg diese Antwort speziell für deutsch Comic-Fans mindestens eine faszinierende Information: Frankreichs aktueller Comic-Papst Lewis Trondheim, dessen Namen ich seit jeher naiv "Luis Tronthaim" ausgesprochen hatte, klang in Alfreds prononciation ganz anders: Leewiss Trond[h]äm.
(Das "[h]" steht dabei für ein gehauchtes "H", quasi die französische Ahnung eines "H", chérie.)
Ah, Monsieur Alfred, merci beaucoup! Jetzt weiß ich endlich, wie ich den Meister ansprechen darf, wenn er im Herbst auf eine kurze Signiertour durch Deutschland geht. (Übrigens, anders als angekündigt, nun doch nicht nach Berlin, wie Reprodukt-Chef Dirk Rehm erklärte.)
Andererseits: Tronthaim oder Trond[h]äm? In Wahrheit heißt der Mann doch eh Laurent Chabosy...