"Der Leuchtturm" von Bruno Le Floc'h
Fischer Nonna erklärt dem Herrn Ingenieur die See
(© 2004 Guy Delcourt Productions / Bruno Le Floc'h;
dt. Ausg.: © 2007 Carlsen Verlag GmbH)
Es mag ja ein bisschen meschugge klingen, wenn man bereits im August über Weihnachten spricht, aber ich mein’s nur gut: Wer alle Jahre wieder Probleme hat, ein passendes Geschenk für den segelverrückten, "mare"-lesenden Onkel aufzutreiben, der sollte sich schon einmal den Comic-Roman "Der Leuchtturm" von Bruno Le Floc'h zulegen. Am besten gleich zweifach, ein Exemplar für Onkelchen, eines für sich selbst. Denn die mit lakonischem Witz erzählte Geschichte ist eine frische Brise im muffigen Genre der Historien-Comics.
Im April 1911 reist ein junger Ingenieur aus Paris in ein bretonisches Fischerdorf, um auf dem vor der Küste gelegenen Felsen "Pierre Chauve" (="Kahler Stein") einen Leuchtturm zu errichten. Kaum eingetroffen, wird ihm klar, dass der Bau sich wesentlich schwieriger gestalten wird, als geplant: Der Felsen "kommt nur bei Ebbe zur Zeit der Springflut heraus. Zwanzig Tage im Jahr, bestenfalls dreißig", erklärt der Fischer Nonna dem Pariser Schnösel, "damit musst du leben." Statt einiger Wochen, wie im Ministerium vorgesehen, wird der Ingenieur über drei Jahre in der Bretagne festsitzen.
Man ahnt es: Nach einer Weile fühlt sich der feine Pinkel bei den rauen Fischern wohl. Zwischen ihm und Nonna entwickelt sich eine Freundschaft, die anders als in Hollywoods Buddy-Movies jedoch bis zuletzt schwierig bleiben und sogar zu gebrochenen Knochen führen wird. Allerdings hat der Ingenieur hier jede Art von Freunden bitter nötig, denn bis der Leuchtturm im Sommer 1914 endlich steht, sucht ein Unglück nach dem anderen die Baumannschaft heim, vom Sturm bis zu windigen Geschäftspartnern. Als der Turm endlich steht, verdirbt eine Hiobsbotschaft die Einweihungsfeier: Frankreich macht mobil. Der Erste Weltkrieg ist ausgebrochen.
Der Autor und Zeichner Bruno Le Floc'h, selbst Bretone, konzentriert sich in Zeichnungen und Szenario (2004 mit dem Prix René Goscinny geeehrt) aufs Wesentliche. Die wortkargen Einheimischen charakterisiert er durch deren Mimik, Gestik und vor allem Taten. Nur der bis zum Ende des Bandes namenlose Ingenieur reflektiert in (als Off-Kommentar dienenden) Briefen über seine Situation.
Trachten, Landschaften, Architektur und Bautechnik wirken sorgfältig recherchiert. Auch mit dem Fachjargon ("Kersanton-Granit", "Fresnel-Linse") scheint Le Floc'h vertraut zu sein, klugerweise streut er das sperrige Vokabular aber nur sparsam in seine Dialoge ein.
Le Floc'hs Bilder sind klar und reduziert. Seine skizzenhaften und zugleich präzisen Zeichnungen erinnern stark an die klassischen Abenteuer-Comics von Hugo Pratt. Den Vater von "Corto Maltese" nennt Le Floc'h denn auch selbst als Vorbild. Ähnlich wie Pratt vermischt auch er intelligent Fiktion mit Fakten und macht reale Geschichte durch erfundene Geschichten lebendig.
Zwei Wermutstropfen seien dennoch erwähnt: Die Farben, speziell im ersten Akt, sind teilweise zu grell geraten, doch auch später stört Le Floc'hs seltsames Faible für Blau-Braun-Kontraste zuweilen den Lesegenuss. Ein größeres Problem stellen indes die in maschineller Schreibschrift wiedergegebenen Briefe des Protagonisten dar: Die kursiven Lettern sind sehr klein geraten und erschweren eine flüssige Lektüre. Um so mehr, als hier offenkundig ein größeres Original auf das kompakte Format der Carlsen-Reihe "graphic novel" geschrumpft wurde.
Ansonsten ist das deutsche Lettering von Dirk Rehm und Björn Liebchen durchaus gelungen. Sicher war es kein Kinderspiel, denn Le Flo'ch spielt mit verschiedenen Typos, integriert Text in die Hintergründe oder macht gar die Lettern selbst zur Landschaft: In der wohl schönsten Szene des Comics torkelt der Ingenieur verzweifelt und besoffen durch die Zeilen seines frisch verfassten Kündigungsgesuchs.
"Der Leuchtturm" ist im Juni 2007 bei Carlsen erschienen, das französische Original "Trois Éclats Blancs" (= "Drei weiße Blitze", das Signal des Leuchtturms) 2004 bei Delcourt.
Der Leuchtturm
Text und Grafik: Bruno Le Floc'h; dt. v. Kai Wilksen;
Carlsen 2007; 96 Seiten, 16 Euro.