Zeichner Stephan Probst ehrt den Über(groß)vater Wilhelm Busch.
(© Stephan Probst)
Zwölfe schlug's, als ich am Sonntag, 15.April 2007, die Eröffnungsfeier der Comic-Ausstellung "Wilhelm Buschs Enkel" im Historischen Museum Hannover besuchte. Als Aufhänger diente natürlich der 175. Geburtstag des Zeichners und Dichters, anlässlich dessen auch zwei Ausstellungen im lokalen Wilhelm-Busch-Museum stattfinden.
Eigentlich alles wunderbar: Das Historische Museum liegt zwischen Leine-Ufer und Altstadt in einem der hübscheren Teile meiner alten Heimat Hannover(hüstel), am Sonntag lachte die Sonne, und die Ausstellung selbst taugte auch was. Nur die Eröffnung nicht.
Weil Comics die Komik ja schon im Namen tragen, ging es gar heiter zu: Erst schmettert ein Bariton sein "Lallallallala!" ins Foyer, dann verkrümelt sich mein Bewusstsein in einen Winkel meines Gehirns, über dem die Lettern "Peinlichkeitsbunker" leuchten, dann sagt der Museumsdirektor irgendwas, und als mein Bewusstsein sich wieder raus traut, hält gerade ein Stadtrat eine Rede, die von der vermeintlichen "Comic-Sprache" ("Ächz! Keuch! Stöhn!") bis zum Zitat Picassos, er bedaure nie einen Comic gezeichnet zu haben, kaum ein Klischee auslässt.
Nun, Sie sagen es, Herr Stadtrat: Stöhn! So eine unbedarfte Eröffnung hat diese Ausstellung nämlich nicht verdient. Auch wenn bei deutschen Comics inzwischen Hamburg und Berlin den Ton angeben, hat Hannover doch eine der traditionsreichsten und vitalsten Zeichnerszenen. Und genau das vermittelt die vom Kurator Wolf-Dieter Mechler liebevoll und intelligent zusammengestellte Werkschau durchaus. Von den "Sigurd"- und "Nick, der Weltraumfahrer"-Heftchen Hansrudi Wäschers über das Gratismagazin "Ilsemann" bis zu den an der Fachhochschule ausgebildeten Kommunikationsdesignern reicht dieser Überblick. Es gibt Lücken und Mängel: Wo sind die Cartoons von Uli Stein? Warum wird das 1974 in Hannover gegründete richtungweisende Fachmagazin "Comixene" nirgendwo erwähnt? Doch das trübt den guten Gesamteindruck kaum.
Zu sehen sind Skizzen, Comic-Seiten, Cartoons und Filme von (in alphabetischer Reihenfolge und ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
Jan Bintakies,
Miguel Fernandez,
Gernod Gayk,
Gregor M. Hoffmann,
Jörn Krug,
Bernd Natke,
Vladimir Magdić,
Stephan Probst,
Michael Schlette,
Patrick Schmitz,
Boris Schütz,
Bernd Teuber,
Jan Velbinger
Hansrudi Wäscher,
Sven Waschk,
Andreas Wehrheim (wow, schöne Flashsite!)
uuuuuuuuund als einziger Frau neben lauter Kerlen: Marina Hartfelder, von der es außer Skizzen auch den Kurzfilm "Das Spiel des Wahnsinns" zu sehen gibt.
Zugleich werden die Verlage Fackelträger, Walter Lehning und CCH (Comic Club Hannover) vorgestellt, das Comic-Magazin "Ilsemann", die Fachhochschule Hannover (Studiengang Visuelle Kommunikation) und die 3D-Animationsfirma "Ambient Entertainment" .
Ganz so falsch lag der Stadtrat mit seiner humorigen Rede nicht: Um in Deutschland überhaupt eine Aussicht auf kommerziellen Erfolg zu haben, müssen Comics immer noch witzig sein. Seltsam, denn schließlich waren die äußerst erfolgreichen Piccolo-Comics der Nachkriegszeit Abenteuergeschichten. Erfreulicherweise scheint der Spaßfaktor nicht das einzige Kriterium bei der Auswahl der Exponate gewesen zu sein. Zwar dominieren Satire, Parodie und Persiflage, daneben bleibt aber Platz für Neo-Noir (Waschk) oder gar Lyrisch-Abgründiges (Hartfelder, Schmitz), das man eher in einer Ausstellung der "Hamburger Schule" um Anke Feuchtenberger vermutet hätte.
Den komischen Höhepunkt der Ausstellung bilden im übrigen keine Comics, sondern Veröffentlichungen des Lehning-Verlages jenseits seiner legendären Wäscher-Heftchen. Da gibt es Taschenbuchromane für den Herrn und für die Dame zu bestaunen, darunter "Fritz Haarmann – der Würger von Hannover" ("Rote Reihe Nr. 4"), aber auch eine Guy-de-Maupassant-Ausgabe, deren Cover eher an "Geschichten aus der Gruft" erinnert. Auch Lehnings Freikörperkulturmagazin und seine Illustrierte "Moderne Revue" wissen zu gefallen. Ich empfehle besonders die Lektüre jenes "Revue"-Artikels über einen modernen Alchemisten aus München, welcher "mit dämonischer Gewalt" aus Lumpen Gold zu machen versucht. Großartiges Zeug – ich habe laut gelacht.
Zur Ausstellung gibt es einen schmalen, aber informativen Katalog sowie nach Jahren endlich einmal wieder eine neue Ausgabe der Gratis-Anthologie "Ilsemann", u. a. mit einem Beitrag des Comic-Neurotikers Ihres Vertrauens (dazu in Kürze mehr). Außerdem bietet der Museums-Shop Werke der ausgestellten Künstler an, darunter Erstveröffentlichungen anlässlich dieser Ausstellung, z. B. drei Alben von Stephan Probst, einem der besten und kurioserweise unbekanntesten Zeichner Hannovers.
Die Ausstellung "Wilhelm Buschs Enkel" im Historischen Museum Hannover läuft noch bis zum 9. September 2007.
Weitere Infos, inklusive Öffnungszeiten und Anfahrtsweg, gibt's hier. (auf der Seite dann unten rechts auf "mehr Infos" klicken!)