Freitag, 16. März 2007
Schöner shoppen mit dem Comic-Neurotiker
Wenn einem die Strips in der Tageszeitung nicht ausreichen, dann wird Comic-Lesen schnell zum teuren Spaß. Glücklicherweise bietet bereits der Kauf allerlei Amüsement und zwar unabhängig vom Preis. Ob man in einem Comic-Laden nun Ware für drei oder dreihundert Euro kauft: Am Ambiente des Ladens kann man sich in jedem Fall delektieren – selbst beim sterilen Online-Kauf.

Den größten Teil meiner Comics erwerbe ich inzwischen bei "Amazon.de" und seinen diversen "Marketplace"-Händlern: unschlagbar günstig bei US-Comics. Ungefähr zweimal im Jahr bestelle ich auch le hot shit aus Frankreich bei "Amazon.fr". Nur um dann frustriert festzustellen, dass mein Französisch immer noch nicht ausreicht, um ein durchschnittlich anspruchsvolles Jugendalbum ohne ständiges Wörterbuchblättern zu lesen.
Befriedigender ist es da schon, beim deutschen "Amazon" die Empfehlungslisten anderer User zu studieren und dann mokant lächelnd doch lieber etwas ganz anderes zu kaufen. Um anderen die Möglichkeit zu geben, sich über meine Empfehlungen zu mokieren, habe ich vor Jahren selbst eine Liste zum Oeuvre meines Lieblingsautors angelegt. Just to give something back, you know.
(Zu den Empfehlungen auf der Liste stehe ich, die prätentiösen Anmerkungen sind mir aber inzwischen etwas peinlich. Könnte ich jetzt natürlich schnell bearbeiten, aber das wär ja geschummelt.)

Sinnlicher, als online zu shoppen, ist es natürlich, Comics im real existierenden Comic-Fachhandel zu kaufen.
Mein aktueller Leib-und-Magen-Shop hier in Hamburg, der "Comic Room" (Güntherstraße 94), liegt nur etwa zwölf Minuten von meiner Haustür entfernt im Stadtteil Hohenfelde. So nah, dass ich wohl, selbst wenn der Laden nichts taugen würde, ab und zu hineinschlendern und dann aus Verlegenheit irgendwelchen Quatsch kaufen würde. Glücklicherweise taugt der "Comic Room" eine Menge. Der Schwerpunkt liegt auf US-Serien der größeren Verlage (im Original und in deutscher Übersetzung, in Paperback-Sammlungen und als Heft). Die kleineren Independent-Verlage sind zwar nicht ganz so gut vertreten, dennoch sind Superhelden hier erfreulicherweise nur eines neben vielen anderen Genres. Der junge Inhaber (ginge optisch noch als Schülerpraktikant durch) berät gut und bestellt gern.
Neben US-Ware kaufe ich hier mit Vorliebe französische Autorencomics und Werke der brummenden Hamburger und Berliner Szene – nicht zuletzt weil sie so frontal und nonchalant neben den Ami-Sachen ausgestellt sind und nicht irgendwo weit hinten versteckt.
Etwas versteckt liegt jedoch der Laden selbst. Ich habe ihn nur zufällig gefunden, als ich vor gut einem Jahr mit Fieber vom Arzt nach Hause schlurfte. (Ich konnte mich dann glücklich mit dreizehn Heften der skurrilen Horrorkrimiserie "Sam & Twitch" ins Bett legen.)
Schräg oder neurotisch wirkt am "Comic Room" eigentlich gar nichts, weshalb er in diesem Text etwas deplatziert erscheint. Allerdings: Comic-Leser werden hier als Erwachsene behandelt, was sehr selten, sehr nett und auch schon wieder schräg ist.

Bevor ich den Comic-Room fand, frequentierte ich die "Comic Cave" (Bornstraße 1) am Grindel. Der Laden hat sich auf importierte US-Comics und Merchandise spezialisiert. Wie der Name schon andeutet, wirkt die "Comic Cave" wie eine Höhle: Kellergeschoss, niedrige Tür (hab mir dort ein bis zwei Beulen geholt), eng und etwas dunkel. Sachen hängen von der Decke, allerdings keine Fledermäuse oder Tropfsteine, sondern Superhelden- und Manga-Actionfiguren.
Die Heftauswahl ist für einen eher kleinen Laden gigantisch, ebenso die Ränge der Spielzeugfiguren. Da grenzt es schon an ein Wunder, dass neben den Mainstream-Serien noch Platz für reichlich Indie-Stoff von Kleinverlegern bleibt.
Fast jedesmal, wenn ich dort war, lag der Husky des Besitzers unpraktisch mitten im Laden herum und machte Siesta. Als alter Schisser wusste ich nie so recht: Soll ich jetzt einfach mit einem langen Schritt drüber steigen? Oder muss ich in diesen Band da hinten eh nicht unbedingt reinschauen, auch wenn die Heldin in ihrem Cyber-Catsuit auf dem Cover so klasse aussieht? Jedenfalls bietet die "Comic Cave" genau das richtige Ambiente, um sich mit Heften oder Paperbacks der Kultserie "Fables" einzudecken, denn darin spielt der große böse Wolf (resozialisiert) eine wichtige Rolle.

Gar nicht weit von der "Comic Cave" liegt "Comics Total" (Grindelallee 92), einer der bekannteren Comic-Läden Hamburgs. Der Name verspricht zu viel: Hier gibt es überhaupt keine Comics in Originalsprache (jedenfalls sind mir nie welche aufgefallen), dafür jede Menge bunte Cartoon-Bände, Comic-Fußmatten und anderes, das man wohl nur zum Verschenken kauft. Aber ehe wir uns falsch verstehen: "Comics Total" verfügt über ein umfangreiches Sortiment von Übersetzungen aus dem Französischen und Englischen und sogar über eine passable Ecke mit Sekundärliteratur.
Nachdenklich macht mich jedesmal die Vitrine hinter der Kasse, in der offenbar erotische Ab-18-Comics weggeschlossen sind. Ich frage mich immer, ob wirklich jemals jemand den Kassierer darauf anspricht:
"Ähm, darf ich mal – äh – in diese Luxusausgabe von
– keuch – 'Bondage Fairies Extreme' reinschauen?"
Das Beste an "Comics Total" ist allerdings, dass die Betreiber sich den Geschäftsraum mit "Pappnase & Co." teilen. Wenn man eintritt, sieht man deshalb erst einmal keine Comics, sondern Jonglierbälle, Zauberbücher, Aufziehmonster, Klodeckelaufkleber, falsche Bärte und weißdergeierwas. Manchmal schnüffele ich länger in diesem Teil des Ladens herum als im Comic-Bereich.
Und wenn man dann von der "Pappnase"- in die "Comics Total"-Hälfte hinübergeht, hat man selbst als Comic-Verrückter das beruhigende Gefühl, nun den "normalen" Teil des Ladens zu betreten.
Hach, schön!